Diese Zeilen entstanden, wie alle Artikel von Peace Love Liberty, in quasi menschlicher Handarbeit. Diese läuft in der Regel wie folgend ab: Ein Autor setzt sich in einigen freien Stunden hin, recherchiert Quellen und liest sich in das Thema ein, bis er sich sicher ist ausreichend zu wissen. Der Autor tippt dann auf der – meist von Energydrinks bereits klebrigen Tastatur – einen ersten Entwurf. Er überarbeitetet diesen mehrmals und schickt ihn anschließend an die Redaktion. Sofern der Artikel nicht abgelehnt wird, lesen ihn ein oder zwei Redakteure sorgfältig durch und merken Fehler und Verbesserungsvorschläge an. Der Text geht zurück an den Autor, dieser bearbeitet den Artikel erneut und schickt ihn wieder an die Redaktion, die ihn erneut prüft und gegebenenfalls mit neuen Verbesserungsvorschlägen zurückschickt. Der Prozess geht solang hin und her, bis die Redaktion und der Autor zufrieden sind und der Chefredakteur den Artikel freigibt. Es folgen Bildersuche, Formatierung und schließlich die Veröffentlichung auf dem Blog.
Rein theoretisch könnte dieser Prozess bereits aber ganz anders ablaufen und nur wenige Sekunden dauern: Der Eigentümer des Magazins tippt in ein Programm das von ihm gewünschte Thema ein und ein Computer generiert dank Künstlicher Intelligenz in Sekundenbruchteilen einen fertigen Artikel, der bereits fehlerfrei und nahezu perfekt formuliert ist. Ein Redaktionsteam, geschweige denn freie Autoren und deren Kreativität und Arbeitszeit wären überflüssig.
GPT2 – Der Alogrithmus, der Artikel und Romane schreiben kann
Dieses Szenario ist bereits jetzt in Grundzügen technisch möglich, wenn man den Berichten des von Elon Musk gegründeten Non-Profit-Unternehmens OpenAI über deren neuste Entwicklung GPT2 Glauben schenken mag. Dabei handelt es sich um den Prototypen einer KI, die selber Texte schreiben kann, die in der Qualität denen von Menschen im Wenigen nachsteht. Im Gegensatz zu alten Textgeneratoren ist dieses Programm nämlich in der Lage, Inhalte von Texten quasi zu verstehen und eigene Inhalte sich auszudenken. So schrieb GPT2 in einem Versuch einen fiktiven Artikel aus der Zukunft des Brexits, den es mit fiktiven Zitaten britischer Politiker und Andeutungen über Probleme an der irischen Grenze versah.
Diese unglaubliche Qualität liegt vor allem darin begründet, dass GPT2 im Zuge des maschinellen Lernens mit einer Textmenge gefüttert wurde, die rund 35,000 Romanen entspricht – mehr als ein Mensch jemals in seinem Leben lesen könnte.
OpenAI hat sich entschieden die anwendbaren Ergebnisse und die Quellcodes ihrer Forschung nicht zu publizieren, da die Befürchtung besteht, dass ein derart starker Textgenerator in vielerlei Hinsicht missbraucht werden könnte. Dabei stehen die Sorgen um die Arbeitsplätze diverser Redaktionsteams allerdings eher an hinterster Stelle, sondern vor allem die Befürchtung, dass damit das Internet hocheffizient und rapide mit FakeNews-Artikeln geflutet werden könnte.
OpenAIs GPT2 ist, wie alles was zurzeit auf der Welt als KI bezeichnet wird, jedoch keine eine echte Künstliche Intelligenz, sondern „nur“ ein hocheffizientes Computerprogramm, das mit Sprache intelligent umgehen kann. GPT2 und andere zurzeit existierende Programme deuten aber bereits an, wozu eine echte Künstliche Intelligenz, die nicht nur maschinell lernen, sondern auch autonom handeln und sich selbst modifizieren könnte, in der Lage wäre. Die Möglichkeiten solcher KIs werfen extreme Fragen um die langfristige Zukunft der Märkte und der Menschheit auf, denn ihre Entwicklung bedeutet den Beginn einer neuen industriellen Revolution.
Angebot und Nachfrage
Wenn in sich in einigen Jahrzehnten KIs durchsetzen sollten, die Artikel, Musik und Computerprogramme schreiben, Fabriken und Farmen betreiben, LKWs und Drohnen steuern können, welchen Platz haben dann der Mensch und seine Produktivität noch in der Gesellschaft? Die Freiheit des Menschen geht mit der Freiheit der Märkte und damit der Möglichkeit zur freiwilligen Partizipation an Transaktionen einher. Doch wie können Märkte frei sein und Transaktionen zustande kommen, wenn das Angebot auf dem Markt nicht mehr von Menschen, sondern vollständig oder nahezu vollständig von KIs gestellt wird? Dabei geht es nicht nur um Schriftsteller, die arbeitslos werden würden, weil der Eigentümer von Axel-Springer nicht mehr tausende von Redakteuren braucht, sondern lediglich die Lizenz für eine KI. Oder um die Zukunft von Fabrikarbeitern und LKW- und Taxi-Fahrern, die von 3D-Druckern und selbstfahrenden Autos ersetzt werden. Bereits jetzt gibt es erste Programme, die Krankheiten besser erkennen, als ein Arzt. Und selbst der ruhigste Chirurg hat zittrige Hände im Vergleich zu einem Roboter. Google präsentierte vor einiger Zeit sogar ein Programm, das Gespräche und E-Mails mit Menschen führen kann, wobei die Menschen auf der anderen Seite nicht in der Lage waren, den Computer von einem echten Menschen zu unterscheiden. Wozu also Call-Center? Erste Prototypen von Google sind sogar in der Lage selber Computerprogramme zu entwickeln, womit sich die Informatiker selber abschaffen, weil sie auch teilweise nicht mehr in der Lage sind nachzuvollziehen, was das Programm da programmiert. Vom ungebildeten Analphabeten bis hin zum studierten Experten werden alle in ihren Arbeitsplätzen durch KI langfristig bedroht.
Frühere Revolutionen der Wirtschaft und Gesellschaft, wie die Industrielle Revolution und die Digitalisierung, vernichteten zwar unzählige Arbeitsplätze, schufen allerdings unterm Strich mehr neue Jobs und ermöglichten es den Menschen essentielle Güter wie Nahrungsmittel und Kleidung viel billiger zu bekommen. Es fielen vor allem die Arbeitsplätze in schwierigen und unangenehmen Berufen der Landwirtschaft und der Industrie weg, also primär Berufe, die Handarbeit und körperliche Kraft benötigen, die nun von Maschinen erledigt werden kann. Die Menschen konnten daraufhin auf die immer wichtiger werdenden Dienstleistungen und geistigen Arbeiten ausweichen und statt mit ihren Händen mit ihrem Verstand arbeiten. Es besteht daher bei vielen die Annahme, dass es im Falle eine KI Revolution ähnlich zugehen würde. Was dabei oft ausgeblendet wird, ist wie radikal eine echte KI Revolution wirklich wäre. Im Gegensatz zu Maschinen kann der Menschen mit seinen Verstand und seiner Kreativität in der post-industriellen Gesellschaft arbeiten. Womit und in welchen Bereichen soll der Menschen aber in einer KI-Welt arbeiten, wenn seine Intelligenz und Kreativität von der der KIs bei weitem übertroffen wird? Wenn KIs das komplette oder beinah komplette Angebot nicht nur auf den materiellen, sondern auch geistigen Märkten produzieren, was für Angebote kann der Mensch bieten? Nichteinmal seinen Körper kann er verkaufen, wenn Spenderorgane aus 3D-Druckern kommen und täuschend echte Sexroboter, wie sie bereits in China und Japan seriell produziert und verkauft werden, die Bordelle übernehmen. Bleibt den Menschen dann nur noch übrig als Nachfrager zu dienen und zu konsumieren? Wie sollen sie aber dann für das Angebot bezahlen, wenn sie über keine relevante Produktivkraft mehr verfügen, die sie eintauschen können?
Realistisch betrachtet ist aufgrund der Tatsache, dass auf der Erde zurzeit noch die meisten Länder technologisch weit unterentwickelt sind und Wachstumspotential besteht, noch sehr viel Zeit, bis im Falle einer KI Revolution der komplette Markt von KI dominiert wird. Zurzeit herrscht auch im Westen akut eher aufgrund des demographischen Wandels ein Defizit an qualifizierter, menschlicher Arbeitskraft. Auch ist es nicht sicher, ob es technisch wirklich möglichst ist eine echte KI zu erschaffen. Aber sollte dies der Fall sein, könnte sich eines Tages tatsächlich die Frage stellen, was der Mensch eigentlich noch selber machen kann und soll. Wie sollen jene Menschen, die keine Jobs und damit kein Geld mehr haben, Zugang zu den kommenden technologischen Errungenschaften bekommen? Wäre dann eine Art SciFi-Kommunismus die Antwort, in welchem alle Produktionsmittel, ergo alle KIs, vergesellschaftlicht werden und die Menschheit kollektiv von deren Arbeitskraft dank einer bedingungslosen Grundversorgung lebt? Wenn jede Produktion und jeder Bedarf von vernetzten Computern registriert und kontrolliert wird, fällt schließlich das Problem der Anmaßung von Wissen weg, die es menschlichen Planern unmöglich macht Wirtschaft zu planen. Aber es bleibt dann die Frage nach dem Warum des Lebens, ohne das selbst das einfachste Wie unerträglich wird. Was soll dann der Mensch machen? Womit soll er sich die Zeit zwischen Geburt und Tod vertreiben? Mit einem noch extremeren Hedonismus, als er bereits in vielen westlichen Ländern sich etabliert hat? Mit einer Existenz ohne Herausforderungen und Aufgaben, die nur noch aus einer einzigen Neftlix-Binge-Session, VRPorn und Xanax-Wettschlucken besteht?
Liberalismus jenseits von Angebot und Nachfrage
Wie die Vergangenheit gezeigt hat, wäre so ein SciFi-Kommunismus nicht nur mit liberalen und aufklärerischen Werten schwer zu vereinbaren, es würde auch die Gefahren die mit jeder Zentralisierung und Enteignung einhergehen mit sich bringen, nämlich Diktatur und Terror – wobei eine komplett digitalisiert durchdrungene Welt auch absolute Überwachung und Unterdrückung ermöglichen würde, wie es bereits in China mit seinem SocialCredit System in Ansätzen realisiert wird. Müssen wir Menschen daher, wie es OpenAI nun mit GPT2 getan hat, KI-Entwicklung einschränken oder gar stoppen? Muss der Staat vielleicht doch eingreifen und regulieren und paradoxerweise mal den freien Markt dadurch vor einer Selbstzerstörung zu schützen?
Diese und weitere Fragen wirft die Möglichkeit der Existenz einer echten KI auf, und keine der bestehenden, klassischen Denkschulen und Theorien über Wirtschaft und menschliches Zusammenleben, bietet darauf eine schlüssige Antwort. Das liegt nicht nur darin begründet, dass mit den KIs etwas entsteht, das Arbeit nicht nur erleichtert, sondern komplett ersetzen könnte. Das Problem mit KIs ist, dass sie nicht nur Maschinen oder Werkzeuge sind wie gewöhnliche Computer und Algorithmen, die von Menschen benutzt werden können, um Arbeitsprozesse zu vereinfachen. Die Folgen ihrer Existenz würden weit über die ökonomischen Konsequenzen hinausgehen. Richtige KIs wären autonome, selbsthandelnde Entitäten, mit Kapazitäten in Intelligenz und Kreativität, die de facto übermenschlich sind. Unsere bestehenden Theorien über die Wirtschaft und Politik bauen allerdings vor allem auf bestimmten Menschenbildern und Vorstellungen vom Funktionieren menschlicher Gesellschaften auf – Theorien oder schlüssige Bilder, die die Existenz von übermenschlichen Akteuren wie KIs miteinschließen, haben wir bisher, bis auf wenige Ansätze diverser Wissenschaftler und Intellektueller, (noch) nicht.
Wenn wir die Freiheit des Individuums langfristig erhalten wollen, müssen wir daher auch darüber nachdenken, wie wir das anstellen, wenn mit dem freien Markt eine der wichtigsten Grundlagen dafür, wegfällt. Die Fokussierung auf wirtschaftliche Themen, wie sie momentan in der liberalen Szene vorherrscht, könnte dabei im Weg stehen, da sie den Blick versperrt auf die Frage nach der Freiheit jenseits des Ökonomischen und die langfristigen Hürden für die Aufrechterhaltung von gesellschaftlicher Stabilität und Freiheit.
Dieser Artikel spiegelt die Meinung des Autors, nicht der Organisation wieder. Dieser Blog bietet die Plattform für sehr unterschiedliche liberale Ideen. Mehr zur Organisation auf www.studentsforliberty.de
Künstliche Intelligenz – Das Ende des Kapitalismus?
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[…] Dieser Artikel erschien ursprünglich am 26.03.2019 auf dem Blog des Magazins Peace Love Liberty. […]
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