Die Situation der Demonstranten in Hongkong ist weiterhin angespannt, der symbolträchtige Sieg der Demokraten in den Kommunalwahlen wird daran wenig ändern. Die Solidarität mit den Protesten seitens der USA und anderer westlicher Regierungen ist leider wie so oft mit sehr viel Vorsicht zu genießen. Doch was können wir als Zivilgesellschaft tun? Wo sind die „Fridays for Hongkong“ Demonstrationen als Zeichen unserer persönlichen Solidarität. Die Demonstranten in Hongkong kämpfen derzeit für etwas, was für viele von uns zu selbstverständlich wurde – nämlich für Freiheit.
Der Wahlsieg der Demokratiebefürworter gibt der gesamten Hongkonger Protestbewegung eine ganz neue Dynamik. Ein unvergleichbarer Erfolg, welcher jedoch letztendlich wenig Bedeutung hat. Der Geduldsfaden des Regimes in Peking wird zunehmend dünner und jede weitere Form der Eskalation seitens der Demonstranten zwingt den Staatsapparat zum Handeln.
Dialogbereitschaft wird Peking nur zeigen, wenn diese klar nach deren Bedingungen gestaltet ist und mehr Demokratie wird in keinen dieser „Kompromisse“ enthalten sein. Die zunehmende Nervosität des Regimes zeigt sich anhand der Reaktion auf die im US-Kongress beschlossen Gesetze zur Unterstützung der Demonstranten, welche unter anderem Wirtschaftssanktionen gegen die Sonderverwaltungszone beinhalten sowie dem amerikanischen Präsidenten das Recht geben, Sanktionen gegen einzelne Personen zu erlassen.
China reagierte mit scharfer Kritik an den USA und erteilte ein Anlege- und Landeverbot in Hongkong für Militärschiffe und Flugzeuge der US-Streitkräfte. Diese Maßnahme zeigt die geopolitische Verunsicherung Chinas und zeichnet das Bild einer Diktatur, die sich in einem naiven Glauben befindet man könnte Hongkong über die Zeit hinweg ohne größere Zwischenfälle Stück für Stück in ihr System eingliedern.
Und es ist gerade diese Naivität und Kurzsichtigkeit, die China gefährlich macht. Denn wenn es früher oder später zu einer weiteren Machtprobe kommen wird, und danach sieht es leider derzeit aus, wird das Regime mit aller Härte zuschlagen. Denn jegliche Form von Nachsicht gilt in der politischen Doktrin der Pekinger Führungsriege als ein Zeichen von Kontrollverlust. Dies wiederum führt dazu, dass viele Chinesen, die sich in der Vergangenheit aufgrund von wirtschaftlichen Erfolgen und fortschrittlichen Wachstum mit der politischen Situation abfanden, das von der Kommunistischen Partei Chinas konstruierte System erstmals wirklich in Frage stellen.
„Ein Land, zwei Systeme“ war stets nur eine Lüge des Regimes
Für viele im Westen galt Hongkong lange Zeit als eine Exklave westlicher Freiheiten, was jedoch bei näherer Betrachtung nie wirklich der Fall gewesen ist. In Hongkong wurden in Formen der uns bekannten wirtschaftlichen Freiheit eine Art von Demokratie hineininterpretiert, die wegen ihrer scheinbaren „Effizienz“ von manchen westlichen Industriekreisen geschätzt wurde. Ein System, das Nepotismus begünstigt, kann für einige Unternehmen aus derer Sicht sehr verlockend sein.
Das Konzept, dass in einem Land wie China, neben der Einparteiendiktatur der Kommunistischen Partei Chinas, ein zweites demokratisches System auf Dauer bestehen könnte, war seit jeher ein Hirngespinst.
Seit die ehemalige britische Kronkolonie 1997 an China übergeben wurde, wurden von Festlandchina aus über die Jahre hinweg Stück für Stück die bürgerlichen Freiheiten der Menschen in Hongkong beschnitten. Zudem stehen unter den wenigen demokratischen Rechten, welche die Bürger von Hongkong derzeit noch besitzen, ein großes Verfallsdatum.
Denn 2047 läuft das 1997 geschlossene Abkommen mit dem Vereinigten Königreich aus und China ist dann nicht mehr länger daran gebunden, den semi-autonomen Status Hongkongs aufrecht zu erhalten.
Staatspräsident Xi Jinping äußerte sich zwar 2017 auf dem 19. Kongress der Kommunistischen Partei, dass der Status sowie das Konzept „ein Land, zwei Systeme“ unverändert bleiben sollte. Angesichts des entschlossen aggressiven Vorgehens Chinas gegen jede Form von Demokratiebestrebungen, erscheint diese Aussage aber wenig glaubwürdig.
Viel wahrscheinlicher ist es daher, dass Hongkong, dann wenn es soweit ist, in eine Sonderwirtschaftszone nach dem Vorbild der benachbarten Stadt Shenzhen umgewandelt wird. Diese würde zwar weiterhin ausländischen Investoren ein gewisses Maß an wirtschaftlicher Freiheit gewähren, doch ohne irgendeiner Art unabhängiger demokratischer sowie juristischer Institutionen.
Carrie Lam hat ihren Zenit schon lange überschritten
Es bleibt abzuwarten wie lange die von Peking eingesetzte Regierungschefin, Carrie Lam, noch in ihrem Amt bleiben darf. Lam bewies nämlich deutlich in den letzten Monaten und Wochen, dass sie der Lage in keinem Masse gewachsen ist. Vor allem ihr Inkompetentes Krisenmanagement führten eher zur Eskalation.
Die Möglichkeit, als Vermittlerin zwischen der chinesischen Führung und den Demonstranten aufzutreten, nahm sie überhaupt nicht wahr. Damit bestätigte sie das, was viele letztendlich sahen, dass sie nur eine Marionette von Chinas Gnaden ist und letztendlich wenig eigene Handlungsfreiheit besitzt.
Wenn sich die Krise weiterhin zuspitzen sollte, werden die Stimmen im Pekinger Regierungsapparat lauter, welche fordern, Carrie Lam schnellstmöglich abzusetzen und sie durch eine Führungspersönlichkeit zu ersetzen, welche dann in einem deutlich autoritäreren Maße und noch weniger kompromissbereit gegen die Demonstranten vorgehen dürfte.
Während Hongkong schreit, schweigt der Westen
Während die Menschen in Hongkong über Monate hinweg ganz überwiegend friedlich demonstrierten, kam es vor allen in den letzten Wochen zu einer deutlichen Verschärfung der Lage, mit Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Sicherheitsräten.
Die Demonstranten zeigten in diesen heftigen Auseinandersetzungen viel Kreativität, mit selbstgebastelten Schleudern bis hin zu Brandwurfgeschossen wurde sich zu wahr gesetzt. Mit Regenschirmen und Laserpointern gelang es teilweise, die Gesichtserkennungssoftware der Polizei zu stören.
All dies zeigt, dass es diesen Leuten sehr ernst ist. Hier geht es nicht nur um Krawall und es geht auch schon lange nicht mehr bloß um Änderungen des Auslieferungsabkommen mit Festlandchina. Viele dieser Demonstranten setzen alles auf eine Karte, nehmen in Kauf, dass sie möglicherweise ihre Arbeitsstellen verlieren, dass sie in die Fänge des chinesischen Unterdrückungsapparats geraten und damit für sehr lange Zeit weggesperrt werden. Und einige riskieren sogar ihr Leben.
In Hongkong handelt es sich daher nicht nur um einfache Proteste und Demonstrationen, es handelt sich vielmehr um einen Aufstand gegen die Diktatur Chinas. Die Eigendynamik eines Aufstandes gibt ein klares Ziel vor und der Spielraum für Kompromisse wird mit der Zeit immer kleiner.
Was tut der Westen nun? Wird die Wirkung der von den USA verhängten Wirtschaftssanktionen China zu einem Einlenken bewegen? Derzeit zeichnet sich ab, dass China und auch Hongkong selbst davon Schaden nehmen. Vor kurzen fielen die Immobilienpreise in Honkong und auch im Finanzsektor rumort es. Einige Finanzdienstleister denken wohl schon darüber nach, sich aus Hongkong zurück zu ziehen.
Es stellt sich die Frage, ob dies wirklich der richtige Weg ist, da hier den Menschen in Hongkong ebenfalls geschadet wird, und dies auf längere Dauer sogar dem Regime in China in die Hände spielt, da es der chinesischen Staatspropaganda einfach macht, weitere Ressentiments gegen den Westen zu schüren.
Zudem dürfen wir als Zivilgesellschaft nicht darauf hoffen, dass unsere Regierungen die Situation in Hongkong für die Menschen dort zum positiven geregelt bekommen. Denn der Westen hat in der Vergangenheit viel zu oft in Krisensituationen versagt oder ging auf Grund eigener Interessen faule Kompromisse ein.
Der Blick auf Deutschland zeigt, dass Kanzlerin Merkel jeden Sinn fürs Staatsmännische verloren hat, was sie durch ihr typisches Schweigen deutlich macht. Bei den 5G Handlungen zeigt sie deutlich, dass sie eine Konfrontation mit China vermeiden will. Und für die USA wird trotz allem wohl eher die Beendigung des Handelskrieges mit China Priorität haben als die Demokratiewünsche der hongkonger Bevölkerung.
Die Menschen in Hongkong laufen daher Gefahr, zu einem geopolitischen Spielball zu werden, der nur als ein Druckmittel fungiert, um die eigenen Interessen durchzusetzen.
Wir normalen Bürger können daher nur als Zivilgesellschaft Solidarität mit den Demonstranten zeigen, wir können auf die Straße gehen und zeigen, dass dies ein Freiheitskampf ist, welcher eine globale Bedeutung hat. Wir können unseren Regierungen zeigen, was wir davon halten, dass auch bei uns die Gefahr besteht, dass unsere Freiheit beschnitten werden kann und dass es Tendenzen gibt, welche den Ausbau des Überwachungsstaates begünstigen.
Doch bei uns wird fast jeden Freitag gegen die Klimakrise demonstriert, konsequent ohne Wenn und Aber. Alles andere, was auf der Welt passiert, scheint nebensächlich. Die vage Forderunge nach „Systemwandel“ , die man oft auf Plakaten der Klimaaktivisten sieht, lässt sehr offen was damit konkret gemeint sein soll.
Die Menschen in Hongkong kämpfen auch für einen „Systemwandel“. Sie sicherlich würden das Privileg schätzen, wenn sie die Freiheit hätten, ohne Sorgen freitags auf die Straße zu gehen um gegen die „Klimakrise“ zu demonstrieren.
Wird Greta wohl bei ihrem nächsten Auftritt vor der UN während ihrer Rede die Faust heben, um medienwirksam ihre Solidarität für die Demonstranten in Hongkong zu bekunden? Fliegt eine Emma Watson nächstes Mal nicht zu einer Klimademo, sondern stattdessen nach Hongkong, um mit diesen Menschen zu demonstrieren?
Wohl kaum, denn die Bequemlichkeit und die Scheinheiligkeit von Teilen unserer westlichen „Eliten“ zeigt sich hier wieder sehr deutlich. Das Schüren von Hysterie und Weltuntergangszenarien erzeugt aktuell halt mehr Reichweite als der Einsatz für Demokratie und Freiheit. Deswegen werden wir daher höchstwahrschleich nicht erleben, dass irgendwer in Zukunft einen Aufruf startet für eine „Fridays for Hongkong“-Demonstration.
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Proteste in Hongkong: Diese Menschen kämpfen auch für unsere Freiheit
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