Reiche Erben sind die erste Säule des Sozialismus

von Maximilian Tarrach

Seitdem die neue SPD-Spitze, bestehend aus Saskia Esken und Nowabo, verkünden, dass sie nun die reichen Schröpfen wollen, vor allem diejenigen, die ohne eigenes Verdienst zu Wohlstand gekommen sind oder einfach zu viel Wohlstand erarbeitet haben, glaubt die neue Linke, sie sei besonders feindlich gegenüber den Erben dieser Welt eingestellt. Doch geschichtlich betrachtet, sind Erben die sichersten Träger sozialistischen Gedankenguts. Und sind wir nicht alle Erben der Wirtschaftswunderjahre und der großen Unternehmensgründungen in Deutschland? Zeit ein wenig das Diktum des Hasses auf Erben zu hinterfragen. Warum hassen Linke Erben (zu denen sie häufig selbst gehören) und deren Privilegien so sehr?

Ich finde, man muss den Horizont erweitern, in welchem Kontext überhaupt geerbt wird. Meine Überlegungen lehnen sich an das folgende, Otto von Bismarck zugeschriebene Zitat an, das einen fundamentalen Evolutionsprozess der Wohlstandsentwicklung postuliert. Er behauptet:

„Die erste Generation schafft das Vermögen, die zweite verwaltet es, die dritte studiert Kunstgeschichte, und die vierte verelendet vollends.“
OTTO VON BISMARCK

Wenn man sich diese Reihenfolge der kulturellen Evolution vor Augen führt, befindet sich Deutschland sicherlich in der dritten Phase: der Phase der schöngeistigen Weltvergessenheit. Wohlstand gilt als etwas Unfeines, man redet nicht gern darüber. Sozialdemokratische Kanzlerkandidaten scheiterten bereits daran, es gewagt zu haben, auch privatwirtschaftlichen Ehrgeiz an den Tag zu legen.

Wenn man Vermögen besitzt, muss man sich dafür schämen. Man muss sich Strategien zurechtlegen, die rechtfertigen, dass man seinen Wohlstand eigentlich nur für das Beheben sozialer Belange geschaffen habe. Man darf für sich allein nicht viel besitzen wollen. Der Reiche soll in Deutschland bescheiden und zurückhaltend leben. In Talkshows muss er bekunden, dass die wichtigen Dinge im Leben, nicht in Geld aufzuwiegen seien, obwohl er paradoxerweise 80% seiner Lebenszeit dem Gelderwerb widmet. Klar, alles aufgrund der so spannenden Arbeit. Alibi-Charity ist auf dem aufsteigenden Ast. Echtes Unternehmertum wird durch unproduktives, aber angeblich moralisch höherwertiges „Ethisches Unternehmertum“ ersetzt. Dort ist es dann geboten, Produkte von Mitarbeitern herstellen zu lassen, die für ihre Qualifikation restlos überbezahlt sind und dem Kunden dafür Preise zuzumuten, die den Marktpreis locker um das dreifache übersteigen. Alles für die gute Sache, versteht sich. Der dauerhafte Effekt auf die gesellschaftlichen Verhältnisse ist gleich null, aber es fühlt sich natürlich gut an, nicht mehr innovativ und ellbogenmäßig Unternehmertum betreiben zu müssen. Und nur das zählt. Schlimm nur, wenn einen der Konkurrent im moralischen Geschäft preislich unterbietet. Dann fängt das ganze wieder von vorne an.

Unternehmer sollen zivilisiert und gebändigt werden, sie sollen ihre Konkurrenten lieben wie sich selbst, denn man bildet ja eine gesellschaftliche Symbiose auf der Basis höherer Werte. Im Grunde will man zu den Gilden und Handelsvereinigungen des Mittelalters zurück, in denen jeder Unternehmer feste Preise und damit auch gesicherte Gewinne zugeschrieben bekam. Ein Gremium und nicht der Wettbewerb um das beste Produkt entschied über den individuellen Erfolg. In Zürich kann man heute noch die Architektur dieser Vereinigungen bewundern. Sie gehören zu den schönsten Gebäuden in dem sonst protestantisch-prunklosen Einheitsmeer aus gotischer Entsagungsfassade. Von den Unternehmern von damals ist keine Überlieferung geblieben. Sie sind verschwunden, wie die Gilden und Zünfte, sobald echter Wettbewerb sie aus dem Geschäft drängte.

Aber auch wenn wir uns die Geschichte des Sozialismus anschauen, kommen wir auf dieses Phänomen der Reichtumsverwahrlosung zurück. Wäre doch Marx‘ Schaffen ohne das Engelsche Vermögen im Hintergrund gar nicht möglich gewesen, das durch eben jenen Manchesterkapitalismus geschaffen worden war, den die beiden seit ihrem Zusammentreffen zu zerstören versuchten. Sonst wäre Marx an der Niederschrift des „Kapitals“ schnell verhungert. Aber wir können auch noch weiter zurückgehen. So gut wie alle französischen Frühsozialisten, deren Namen heute meist nicht mehr geläufig sind und die von dem Marx‘-Engelsschen Vermächtnis überschattet wurden, waren reiche Söhnchen aus gutem Hause, welche die Erwerbsarbeit verachteten, daher von ihren Vätern gehasst wurden und somit erst recht in geistige Opposition zu jedweder wirtschaftlicher Tätigkeit gerieten.

Nehmen wir Henri Saint-Simon, ein Sohn eines schon abgestiegenen französischen Adelsgeschlechts, das während der französischen Revolution in Ungnade gefallen war. Saint-Simon konnte das übrig gebliebene Familienvermögen jedoch über die Zeit hinwegretten und lebte nach der Terrorherrschaft Robespierres, wie es Wikipedia so schön ausdrückt, „als ungebundener Intellektueller von den Resten seines Vermögens sowie von Zuwendungen eines reich gewordenen ehemaligen Dieners.“ Seiner Theorie einer gerechten Gesellschaft zufolge, sollte das Privateigentum abgeschafft, das Erben verboten und der Grundsatz: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jede Fähigkeit nach ihren Leistungen“, durchgesetzt werden. Nur noch derjenige, der wirklich hart arbeitet, sollte Geld verdienen. Wäre das durchgesetzt worden, wäre er wohl als erstes auf der Straße gelandet.

Oder schauen wir auf den berühmten Max Horkheimer, Mitbegründer der Frankfurter Schule, Sohn eines jüdischen Kunstwollfabrikanten, der im Kapitalismus die Ausgeburt faschistischen Denkens erblickte. Seltsam, das Ausgeben des Geldes seines Vaters erschien ihm weniger faschistoid zu sein. Auch Theodor W. Adorno oder George Lukacs waren allesamt reiche Erben. Sie alle eint, dass sie in der materiellen Armut, die sie literarisch überhöhten, selbst nie leben mussten. Man sagt, Buddha war ein reicher Prinz, der sich aufgrund des Anblicks armer, hungernder Menschen entschied, selbst zu einem armen und bedürfnislosen Menschen zu werden. Im Buddhismus ist noch offenkundig, dass eine antimaterialistische Lehre am Ende auf das Warten auf den Tod hinausläuft, das nur durch zufällige Spenden am Leben hängender Mitmenschen hinausgezögert wird. Heute glaubt man, antimaterialistische Ideen vertreten und gleichzeitig im Luxus leben zu müssen. Da ist mir Buddha weitaus sympathischer.

Vielleicht ist es ein genetischer Defekt, dass wir als Menschen nicht in der Lage sind, die Basis von Wohlstand und Kultur zu erblicken und wertzuschätzen, wenn wir leistungslos in sie hineingeboren werden. Dass Erbschaften daher einen inneren Zerfall auslösen, darin allein könnten die Sozialisten recht behalten.

Erben sind daher selten echte Kapitalisten. Es gibt keine gesellschaftliche Gruppe, die sich so sehr von Luftschlössern ökonomischer Sorglosigkeit angezogen fühlt wie sie.

Sidney Webb und seine Frau bspw. waren die Gründer der sozialdemokratischen Bewegung in Großbritannien, auch sie, wen verwundert es, zumindest seine Frau Beatrice, war Erbin eines Großindustriellen. Für sie sollte der Sozialismus als eine Art Ersatzreligion für die aussterbende und an Einfluss verlierende anglikanische Staatskirche dienen. Den oberen Schichten sollte der Sozialismus einen neuen moralischen Kompass an die Hand geben. Immerhin waren sie so einsichtig einzusehen, dass eine Revolution niemals das Mittel der Wahl sein sollte und sie ihren Sozialismus lieber mit Reformen erreichen wollten. Aber das Einreden des schlechten Gewissens funktionierte unter ihren bürgerlichen Freunden ausgezeichnet gut.

Heute sind ihre Überzeugungen mehrheitsfähig. Nachdem sich die Elterngeneration in einer globalisierten Welt vier Jahrzehnte den Rücken krumm gearbeitet hat, um den Kindern ein Vermögen zu hinterlassen, gehen die verwöhnten Kinder nach Harvard, Yale oder Paris und lernen dort in Safe Spaces und Antikolonialismus-Kursen, warum das westliche Gesellschaftsmodell moralisch verkommen ist und abgeschafft gehört. Nie war man sich in einer Kultur so einig darin, dass man sie aufgrund höherer Werte abzulehnen habe. Niemand möchte mehr der konservative Vertreter der alten Ordnung sein. Niemand ist mehr gern ein weißes, reiches Kind der erfolgreichsten Kultur der Erde. Alle sind einsichtige Weltenretter und Zurücksteller eigener Interessen geworden.

Wenn diese Selbstgeißeler doch nur konsequent wären! Ich hätte da eine Idee, diese Menschen schnell, einfach und effizient von ihrem Leiden zu erlösen. Ich würde, selbstlos wie ich von Natur aus bin, ein Spendenkonto einrichten, auf dem alle Erben, die sich vom Materialismus lossagen wollen, gern ihr Hab und Gut überweisen dürfen. Es geht ganz fix und ist aus allen Herren Ländern heraus möglich. Wenn genug zusammenkommt, wäre ich auch bereit, brüderlich mit anderen zu teilen, die auch gern materiell versorgt wären. Materialismus ist ja wirklich furchtbar. Oberflächlich, unmoralisch, bei dem Leid auf der Welt auch nicht vertretbar. Melden Sie sich doch bei mir. Und ich wäre auch froh, wenn mich Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans in diesem Anliegen unterstützen würden, immerhin wollen sie nur wenige Prozent des Erbes abschöpfen, ich jedoch würde das Vermögen der Erben sofort zum Verschwinden bringen! Also, wer hat hier das bessere Konzept?

Der Artikel erschien zu erst auf dem Blog des Autors: Philosophische Auszeit.

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