Mitten in einer globalen Pandemie leben wir zweifelsohne in historisch bedeutsamen Zeiten. Doch auch andere aktuelle Ereignisse werden in die Geschichte eingehen, so etwa die bevorstehende Präsidentschaftswahl in den USA am 3. November. Diese wird von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst und über ihren Ausgang wird schon seit Monaten spekuliert. Um genauere Einblicke in das Wahlsystem der USA und die Politik des Landes zu erhalten, habe ich Benjamin Wolfmeier interviewt. Er beschäftigt sich seit dem Jahr 2000 mit der amerikanischen Politik und ist sogar selbst im Wahlkampf aktiv. Bis 2010 war er Mitglied der Democrats Abroad, dann wechselte er zu den Republicans Overseas, deren Pressesprecher er nun ist. Diese Organisationen organisieren beispielsweise Vorträge und Debatten mit Gastrednern, sammeln Gelder für ihre jeweilige Partei und wollen allgemein im Ausland lebende Amerikaner dazu bewegen, sich aktiv am politischen Geschehen ihres Heimatlandes zu beteiligen.
Vorneweg zunächst einmal eine kurze Erläuterung zur Funktionsweise des amerikanischen Wahlsystems: Die Bürger wählen hier nicht direkt ihren Kandidaten, sondern stimmen für die Wahlmänner des Electoral College ab, welches aus 538 Personen besteht und den Präsidenten sowie den Vizepräsidenten wählt. Um die Wahl zu gewinnen muss ein Kandidat also mindestens 270 Wahlmännerstimmen erhalten. In einem Großteil der amerikanischen Bundesstaaten gilt das „the-winner-takes-it-all“-Prinzip, nach dem die Partei, die eine relative Mehrheit für sich gewinnen konnte, alle Wahlmännerstimmen des Bundesstaats erhält. Die Anzahl der Wahlmänner pro Bundesstaat setzt sich zusammen aus zwei Wahlmännern pro Senatsdistrikt und einer variablen Anzahl entsprechend der Bevölkerungsgröße. Aufgrund des „the-winner-takes-it-all“-Prinzips kann es zu Abweichungen der Abstimmung des Electoral College und der sogenannten Popular Vote kommen, die dem prozentualen Stimmanteil entspricht.
In den meisten Fällen sind den beiden Kandidaten bereits vor der Wahl über 200 Stimmen des Electoral College sicher – dies sind nach den Parteifarben rote oder blaue Staaten, deren Bevölkerung bei vorangegangenen Wahlen stets gleich abstimmte und die somit klar einer Partei zuordenbar sind – und rund zehn Swing States entscheiden somit über das Ergebnis, weshalb in diesen Bundesstaaten vermehrt Wahlkampf betrieben wird.
Eine exakte Prognose des Ergebnisses wird in den Wochen und Monaten vor der Wahl heiß diskutiert. Benjamin Wolfmeier beschäftigt sich intensiv mit diesem Thema. Er beobachtet über lange Zeit die Entwicklung der amerikanischen Politik, recherchiert viel und berücksichtigt alle relevanten Daten wie unter anderem Bildungsstand oder Geschlecht der Wähler, um auf der Grundlage mathematischer Berechnungen seine „electoral map“ (https://strehlspresidentialelection2016.wordpress.com/2020/10/27/4th-weekly-electoral-map-october-2020-by-benjamin-wolfmeier/) zu erstellen. Mit dieser sagte er schon den Ausgang der Wahl 2016 richtig voraus. Seine Prognose für das Jahr 2020 lautet, dass Donald Trump mit 312 bis 320 Wahlmännerstimmen wiedergewählt wird (aktueller Stand der Prognose: 316 Stimmen).
Aber was bedeutet eine mögliche erneute vierjährige Amtszeit Donald Trumps? Laut Benjamin Wolfmeier hat der amtierende Präsident der USA viele seiner Wahlversprechen umgesetzt – etwa signifikante Lohnsteigerungen – und somit seinem Slogan „Make America Great Again“ alle Ehre gemacht. Die andauernde Corona-Krise drohe dies zum Teil zunichte zu machen, sodass in den nächsten vier Jahren ein erneuter Aufbau des Landes bevorstünde. Benjamin Wolfmeier glaubt, dass Donald Trump diese nochmalige Herausforderung meistern können wird und führt als Begründung einige Beispiele an, unter anderem den historischen Tiefstand der Arbeitslosenquote in den USA.
Viele Menschen fühlen gegenüber dem amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten jedoch mehr aus persönlichen als aus politischen Gründen eine starke Abneigung. Auch Benjamin Wolfmeier gibt zu, dass manche Aussagen Donald Trumps unsympathisch, arrogant und teils vulgär sind. Er weist hier aber auf die Herkunft des Präsidenten aus New York hin, mit der er dessen provokante Sprache rechtfertigt. Wichtig sei, zwischen Donald Trump als bisweilen Antipathie erweckendem Privatmann und Donald Trump als Staatsmann zu differenzieren, man solle die faktischen Taten ebenjenes Politikers beurteilen, um zu einem objektiven Urteil über seine Person zu gelangen.
Ob man nun politisch hinter Donald Trump steht oder seinen Herausforderer Joe Biden befürwortet, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in den USA wird in jedem Fall spannend. Es sind mittlerweile nur noch wenige Tage bis zur Wahl, doch in turbulenten Zeiten wie diesen kann bis dahin noch eine Menge geschehen. Seien wir gespannt, in wessen Hände die amerikanische Bevölkerung ihr Schicksal legen wird!
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