In der vergangenen Woche gab es eine ganze Reihe erfreulicher Meldungen auf internationaler Ebene, die jeden Cannabis-Legalisierungsbefürworter aufhorchen ließen. Das US-Repräsentantenhaus stimmte dafür, das Verbot für Cannabis auf Bundesebene aufzuheben, die EU-Kommission kommt zum Schluss, dass CBD nicht mehr als Droge betrachtet werden sollte und die Suchtstoffkommission der UN stuft Cannabis als eine weniger gefährliche Droge ein. Welche Durchschlagskraft können diese Meldungen für zukünftige Entscheidungen im Bereich der Legalisierung haben? Eine Analyse.
Entscheidungen mit internationaler Tragweite in Bezug auf den gesetzlichen Umgang mit Cannabis in den vergangenen Jahren, wie beispielweise in Kanada, führten auch hier in Europa seitens der Politik zu einer Neubewertung der Situation. Vor einigen Wochen wurde erstmals mit der legalen Cannabis-Zucht auf deutschen Boden begonnen, natürlich nur für medizinische Zwecke. In puncto Cannabis-Legalisierung geschweige denn in Sachen Entkriminalisierung tut sich trotz einiger Ansätze derzeit noch recht wenig auf Ebene des Bundes.
An der jetzigen Position der Bundesregierung wird deswegen die aktuelle Entscheidung der Suchtstoffkommission der UN wohl wenig bewegen. Die Kommission hat dafür gestimmt, Cannabis nicht mehr in der Liste der Kategorie IV zu führen, wo u.a. Substanzen wie Heroin geführt werden. Die UN will damit jedoch keinesfalls die Mitgliedstaaten zu einer Legalisierung von Marihuana motivieren, denn Cannabis wird immer noch als streng zu kontrollierendes Suchtmittel in der Untergruppe I geführt, gemeinsam mit Substanzen wie Methadon und Kokain.
Dieser Beschluss ist sinnbildlich dafür, wie sehr die UN doch mit ihren Beschlüssen und Vorgaben den eigentlichen Entwicklungen hinterher hinkt. Das verdeutlicht das Vorpreschen einer wachsenden Anzahl von Mitgliedstaaten mit eigenen nationalen Sonderwegen in ihrer Cannabispolitik. Seit geraumer Zeit zeigt sich, dass internationale Verträge in diesem Bereich keine Maßstäbe mehr setzen, die der Realität gerecht werden sowie, dass der Multilateralismus in Bezug auf Cannabis zunehmend gescheitert ist. Zudem hat die Suchtstoffkommission der UN die Vorschläge der WHO ignoriert, Cannabinoids Cannabidiol (CBD) nicht mehr als Droge einzustufen. Dabei ist CBD in vielen Ländern mittlerweile längst akzeptiert und legalisiert (in Deutschland befindet sich CBD jedoch leider noch immer in einer gesetzlichen Grauzone) und es existiert ein Milliarden Umsatzmarkt. Aufgrund dieser „steinzeitlich“ anmutenden Situation verstoßen immer mehr Staaten gegen die Auflagen der UN. Dies vor allem deswegen, da es auch nicht möglich erscheint, solche Verträge kurzfristig zu ändern wegen systembedingter Überbürokratisierung der UN-Gremien. Ein Manko in der DNA der UN, was wiederum ihre Relevanz erheblich einschränkt.
Ein weiteres Ereignis vergangene Woche mit einer wohl deutlicheren Symbolwirkung auf internationaler Ebene, vor der eine deutsche Bundesregierung wie auch die aktuelle Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig nicht komplett die Augen verschließen können, war die Abstimmung des Repräsentantenhaus der USA für ein Aufheben des föderalen Verbots von Marihuana auf bundesstaatlicher Ebene. Der vom Vorsitzenden des Justizausschusses, dem Demokraten Jerry Nadler, geförderte MORE-Act, soll mit Cannabis im Zusammenhang stehende Einträge aus Strafregistern streichen und Cannabis aus dem Gesetz des Controlled Substances Act (CSA) entfernen. Das Votum über die Gesetzesvorlage fiel 228 zu 164 aus. 222 Demokraten, fünf Republikaner und Justin Amash, Abgeordneter der Libertarian Party, haben dafür gestimmt. Miteinbegriffen der republikanische Abgeordnete Matt Gaetz aus Florida, der sogar die Vorlage von Anfang an mit förderte. Gaetz sagte vor der Abstimmung diesbezüglich:
„Die Bundesregierung hat die Menschen über Marihuana belogen […] meine republikanischen Kollegen werden heute eine Reihe von Argumenten gegen dieses Gesetz hervorbringen, doch diese Argumente werden in überwältigender Weise beim amerikanischem Volk durchfallen.“
Damit spricht Gaetz das aktuelle Meinungsbild in der Bevölkerung an, wo laut einer Umfrage von gallup.com 68% der Amerikaner sich für eine Legalisierung von Cannabis aussprechen. Die Wähler der Republikaner befürworten beinahe fast zu 50% eine Legalisierung wie die Umfrage ebenfalls zeigt. In der amerikanischen Bevölkerung lässt sich ein stetig stärker werdender Wandel beobachten, und die harten Gegner einer Cannabis-Legalisierung innerhalb der Republikanischen Partei verlieren an Rückhalt, was sich auch in den Abstimmungsergebnissen in Volksbefragungen in einzelnen Bundesstaaten zeigt. Den wachsenden Anteil an Legalisierungsbefürwortern in der eigenen Partei in Zukunft zu erklären, dass man für individuelle Freiheiten, Eigenverantwortung und wirtschaftliche Deregulierung eintritt, auf der anderen Seite aber harte Regulierung gegen Cannabis befürwortet, wird zu einem heiklen Balanceakt.
Dass der MORE-Act vorerst aber nur Symbolwirkung haben wird, liegt daran, dass er in der zweiten Kammer des US-Kongress, dem Senat, eine Mehrheit erhalten muss. Derzeit stellt die Republikanische Partei im Senat noch eine knappe Mehrheit von 52 zu 48 Sitzen. Der Republikanische Mehrheitsführer im US-Senat, Mitch McConnell, unterstützt zwar die Förderung von industriellen Hanfprodukten, ist aber strikt gegen eine Legalisierung von Cannabis als Genussmittel. Die Befürworter bräuchten eine Mehrheit von 51 Sitzen, was jedoch schwierig werden wird. Denkbar wäre, dass der libertär eingestellte Republikanische Senator Rand Paul sich den Befürwortern anschließt, was jedoch nicht reichen würde.
Ein Rückschlag für die Legalisierungsbefürworter innerhalb der Republikanischen Partei, mit Blick auf die bevorstehende Abstimmung, war zuletzt die Abwahl des Republikanischen Senators Cory Gardner. Der Politiker aus Colorado, der in vielen Bereichen stark konservative Positionen vertritt, gilt seit den letzten Jahren als vehementer Unterstützer der Cannabis-Industrie und als einer der stärksten Befürworter einer Legalisierung von Marihuana innerhalb der Partei.
Auch wenn die Abstimmung im Senat voraussichtlich knapp scheitern wird, ist die Signalwirkung enorm und nur eine Frage der Zeit, bis sich die Mehrheitsverhältnisse endgültig zugunsten der Befürworter drehen werden. Wenn ein führender Industriestaat wie die USA mit einer Bevölkerung von über 300 Millionen in absehbarer Zeit, Cannabis vollständig legalisiert, wird es für Regierungen von Staaten wie Deutschland zunehmend schwieriger, der eigenen Bevölkerung die Sinnhaftigkeit ihrer restriktiven Drogenpolitik zu erklären.
Eine gute Nachricht für die europäische Nutzhanfindustrie ist die Entscheidung der EU-Kommission, dass CDB nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft wird, sondern als mögliches Lebensmittel. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes kam die Kommission zum Schluss, dass CBD „nicht als Droge im Sinne des Einheitsübereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 betrachtet werden sollte, da es keine psychotrope Wirkung hat. Demzufolge kann Cannabidiol als Lebensmittel eingestuft werden.“
Daniel Kruse, Präsident des Europäische Verbands für Industriehanf (EIHA), meint in einer Pressemitteilung dazu, dass die Entscheidung der EU-Kommission eine wegweisende Maßnahme für die gesamte Nutzhanfindustrie darstellen wird. Die Entscheidung wird den Unternehmen dieser wachsenden Industrie mehr Planungssicherheit geben und die Attraktivität für Investitionen noch weiter steigern, da die Produzenten für ihre Produkte nun endlich Nahrungs- sowie Sicherheitsstandards applizieren können.
Mit Blick auf diese Entwicklung darf man nicht vernachlässigen, dass die Marktwirtschaft ihren Anteil daran hat, dass die Politik die vielversprechenden Potentiale dieser Industrie erkennt und bereit ist, die Diskussion auf Basis von modernen und soliden wissenschaftlichen Ansätzen zu führen. Innovative Fortschritte in einer wachsenden Cannabisindustrie und die Liberalisierung der gesellschaftlichen Sicht auf den Cannabiskonsums sind zwei einander verstärkende Faktoren. Beide bewerkstelligen nicht nur gesetzlich legale Rahmen, sondern schaffen auch eine Toleranz in der Öffentlichkeit für das Thema. Daraus wiederum kann sich als Nebeneffekt eine grenzüberschreitende Toleranz entwickeln, die zu einer Gesellschaft beiträgt, in der Eigenverantwortung und individuelle Freiheit einen noch stärkeren Platz einnehmen werden.