Ein Zubrot verdient jeder gerne. Problematisch wird es, wenn Politiker für Gefälligkeiten für Unternehmen entlohnt werden. Die Fälle um den CDU-Abgeordneten Nüsslein mahnen, die Politik nicht naiv zu betrachten.
Die Corona-Krise hat viele Menschen bis ins Mark erschüttert. Nicht nur wurde ein radikaler Lebenswandel hin zu einer eher trostlosen Einsamkeit erzwungen. Es fanden sich auch viele Bürger in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. In den Lockdowns mussten (und müssen immer noch) viele Unternehmen, seien es Friseurläden, Modeboutiquen, Blumenhändler oder Büchereien, schließen; auch Künstler können häufig nicht mehr arbeiten.
Auch wenn der Staat Hilfszahlungen mehr oder weniger zur Verfügung stellt(e), stehen viele Menschen vor einer sehr ungewissen Zukunft, manche gar vor einem Schuldenberg. Umso befremdlicher wirken die Nachrichten über Vorteilnahme einiger Politiker. Wie zum Beispiel die CDU-Abgeordneten Georg Nüsslein und Nikolas Löbel, die mutmaßlich Unsummen für ‚Vermittlungstätigkeiten‘ erhalten haben. Dabei sind es doch gerade jene Politiker (und Beamte), die kaum unter der Krise leiden müssen. Ihr Einkommen ist so sicher, wie es nur irgendwie geht – denn sie sind nicht abhängig davon, dass Kunden freiwillig ihre Güter oder Produkte nachfragen. Sie erhalten ihre Diäten vom Steuerzahler, ganz egal, was sie tun oder nicht tun.
Aber was einen menschlich erschüttern mag, sollte auf einer fundamentaleren Ebene als Warnung dienen. Als Warnung vor einem allzu naiven Politikverständnis, welches die Politiker als perfekte, wohlmeinende Treuhänder des öffentlichen Wohls sieht. Diese Interpretation der Politik ist auf allen Seiten des Spektrums, links, in der Mitte und rechts, zu beobachten. Sie untermauert das Politikverständnis vieler.
Genau das ist aber nicht immer der Fall, wie die aktuellen Vorkommnisse aufzeigen. Politiker haben doch auch häufig die eigenen Interessen im Blick. Und das sollte bei der Gestaltung des politischen Systems eine Rolle spielen.
Dabei ist es mit Sicherheit nicht wahr, dass alle Politiker stets nur ihr Eigeninteresse verfolgen. Zumindest stimmt das in unseren Breiten nicht. Ja, in der westlichen Welt haben wir das durchaus ungewöhnliche Glück, Politiker zu haben, die weitgehend gute Motivationen haben.
Doch auch wenn wir uns in Deutschland glücklich schätzen können, dass die Politiker nicht allesamt ausschließlich die eigenen Taschen füllen, sollten Fälle wie Nüsslein und Löbel mahnen, die Lehren der Public Choice-Theorie zu beachten. Diese nimmt an, dass die Politiker ihr Eigeninteresse verfolgen, was auch das Konzentrieren auf die Wiederwahl-Chancen sein kann und nicht direkt Korruption bedeuten muss. Und sie folgert daher, dass man die Macht der Politik begrenzen muss, um genau jenes Verfolgen des Eigeninteresses zu unterbinden. Dabei ist gar nicht so wichtig, wie zutreffend diese Annahme Eigenwohlmaximierung ist. Es geht vielmehr darum, vom schlechtesten Falle auszugehen, der eintreffen kann.
Um die Macht der Politik zu beschränken, ist eine strenge Verfassung notwendig. Diese schränkt den Handlungsrahmen der Politik stark ein. So können Politiker schlicht und ergreifend sehr wenige Dinge tun. Und jene, die sie tun, sind durch Regeln recht eindeutig vorgegeben. Durch diese Einschränkungen sind Politiker kaum in der Lage, ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Salopp gesagt: wenn der Staat nicht in die Wirtschaft eingreifen darf, kann kein Politiker seinen Spezis Subventionen zuschustern.
Der begrenzte Staat erschwert somit die Möglichkeit von Politikern, den Staat für eigene Zwecke zu missbrauchen. Das ist auch dann sinnvoll, wenn viele Politiker mehr oder weniger wohlwollend motiviert sind. Denn es geht ja gerade darum, dem Extremfall vorzubeugen – der niemals ausgeschlossen werden kann. Außerdem darf auch nicht vergessen werden, dass derjenige Politiker, der skrupellos die Macht ausnutzt, die der Staat ihm bietet, wohl bessere Erfolgschancen im politischen Prozess hat als der machtscheue, wohlmeinende Politiker. Auch dies spricht somit für eine Begrenzung der Macht des Staates.
In Deutschland ist die Idee der Begrenzung der Macht des Staates natürlich lebendig. So gibt es hier beispielswiese die Ewigkeitsklauseln, die die Gesetzgebung einschränken. Aber dass darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Staat in Deutschland ungeheure Ausmaße angenommen hat und die Politiker eine Vielzahl an Programmen umsetzen: von Industriepolitik über direkte Eingriffe in den Marktprozess (wie der Mietendeckel) bis hin zur Einkommens- und Vermögensumverteilung.
Dabei gilt stets, dass je größer die Macht des Staates, desto mehr Möglichkeiten für Politiker, diese Macht für eigene Zwecke einzusetzen. Den mutmaßlichen Korruptionsauswüchsen von Nüsslein und Co. kann man somit in gewissem Sinne dankbar sein. Sie zeigen auf, dass unser politisches System mehr und mehr in eine Schieflage gerät. Nötig ist nun, mutige Schlüsse zu ziehen und in Handlungen umzusetzen. In Handlungen, die den Kern der Wurzel packen und dort ansetzen, wo effektiv Korruption und Vetternwirtschaft vorgebeugt werden kann: der Macht des Staates.