Das NetzDG der Bundesregierung wird hart kritisiert. Betreiber von sozialen Netzwerken werden dazu gezwungen innerhalb von kurzer Zeit Inhalte zu löschen, die gegen das deutsche Recht verstoßen. Dadurch werde ein ökonomischer Anreiz geschaffen – Es ist weniger riskant einen rechtlich fraglichen Inhalt zu löschen, als ihn veröffentlicht zu lassen. Viele befürchten, dass dadurch eine Art “Präventivzensur” entstehe, die staatlich vorgegeben, aber von einem Privatunternehmen am Ende durchgesetzt wird.
Trotz der berechtigten Kritik verzeichnet das NetzDG international Erfolge. Neben Kraftwagen, Maschinen, chemischen Erzeugnissen und anderen qualitativ hochwertigen Produkten der Bundesrepublik, ist auch das NetzDG ein Exportschlager. Wie ein von der dänischen Denkfabrik Justitia im Jahre 2020 veröffentlichter Bericht darlegt, dient das NetzDG als Beispiel für zahlreiche Gesetze, die in anderen Staaten verabschiedet werden. Justitia beschäftigt sich als Institution vor Allem mit Problemen der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und der Freiheitsrechte – und genau hier fangen die ersten Probleme an.
Bereits 2019 veröffentlichte die Denkfabrik einen Bericht aus dem hervorging, dass mindestens 13 Staaten (und die Europäische Union) ähnliche Gesetze verabschiedet, oder geplant haben, 2020 sind weitere 11 dazu gekommen. Dabei stellen freiheitliche Staaten, wie Frankreich, das Vereinigte Königreich, oder Australien lediglich die Minderheit dar, bei den meisten handelt es sich um Staaten mit bedeutenden rechtsstaatlichen Defiziten.
So wurde ein ähnliches Gesetz beispielsweise schon 2017 in eben dem Belarus verabschiedet, in dem wir seit Wochen Proteste gegen die Wahlfälschung Lukashenkos beobachten können. Anders als in Deutschland zielt das Gesetz dabei “nur” auf die Verbreitung von Falschinformationen ab. Es ist nicht schwer zu erraten, dass es sich dabei wohl um einen Versuch handelt die Meinungsfreiheit zu beschränken und vor allem regierungskritische Journalisten verstummen zu lassen. Dabei berief der Diktator sich nach Informationen der “Augsburger Allgemeinen Zeitung” auf das deutsche Beispiel des NetzDG, sowie das Gesicht des Gesetzes, Heiko Maas.
Belarus ist ein Staat, der laut Berichten der “Reporters Without Borders (RSF)” und nach mehreren Rankings die Einschränkung der Pressefreiheit zur Normalität gemacht hat.
So werden beispielsweise alternative Medien in Belarus dazu gezwungen außerhalb des Landes zu agieren. Die Korrespondenten solcher Outlets bekommen wiederum keine staatliche Akkreditierung, wodurch sie illegal arbeiten müssen. So berichtete RSF im November 2018, dass bis zu diesem Zeitpunkt mindestens 99 Strafen gegen Journalisten aufgrund fehlender Akkreditierung verhängt wurden.
In dem “Freedom On The Net Report 2020” von “Freedom House” (Justitia beruft sich auf den report von 2019) wird Belarus mit 38 von 100 Punkten als “nicht frei” eingestuft.
Auch Erdogans AKP entschied sich für eine Übernahme der Innovation. So wurde von der Regierungspartei ein Gesetz verabschiedet, das nach den Aussagen von einem AKP Vertreter an das deutsche NetzDG angelehnt ist.
Als Folge des Gesetzes müssen soziale Netzwerke mit mehr als einer Million Nutzern Mitarbeiter in der Türkei anstellen, die für die rechtlichen Angelegenheiten in dem Land zuständig sein werden. Darüber hinaus müssen nach dem Report die Betreiber die Nutzerdaten nun in der Türkei speichern. Sollte das Gesetz gebrochen werden drohen empfindliche Strafen von bis zu 1,5 Millionen US Dollar, sowie andere Maßnahmen wie Blockierung und Drosselung von den betroffenen Websites.
Die Türkei steht wegen ihrer Politik gegen die Pressefreiheit in der Kritik. Das “Commitee to Protect Journalists” berichtete 2018 von mindestens 68 eingesperrten Journalisten, ein trauriger globaler Spitzenwert. In dem “Freedom On The Net Report 2020” schneidet die Türkei sehr schlecht ab. Mit 35 von 100 Punkten wird das Land als “nicht frei” eingestuft.
Ein weiterer Nachahmer Deutschlands ist die russische Regierungspartei “Vereinigtes Russland” mit dem “lupenreinen Demokraten” Wladimir Putin. In dem Bericht von Justitia heißt es, dass bereits zwei Wochen nachdem das Gesetz in Deutschland verabschiedet wurde, ein fertiger Gesetzesentwurf in der russischen Duma vorlag, der laut den RSF mehr oder weniger eine Kopie des deutschen Gesetzes war.
Wie es weiter im Bericht heißt unterschrieb Putin am 18.März 2019 schließlich zwei Gesetze, die Strafen für das Verbreiten von “unverlässlichen Informationen” verhängen. Darüber hinaus wird auch bestraft, wer “die Gesellschaft, die Regierung, die offiziellen Symbole der Regierung, die Verfassung, oder Teile der Regierung” online mit großer Respektlosigkeit behandelt. Eine von dem russischen Staat befähigte Institution ist befugt die betroffenen Webseiten zu benachrichtigen, sollten die Inhalte nicht gelöscht werden, dürfen die Seiten gesperrt werden.
Dabei bezog sich das offizielle Erklärungspapier der russischen Regierung auf das NetzDG.
Der Kreml beteuert, dass Gesetze gegen Fake News in anderen europäischen Staaten Standard sind und daher auch in Russland nötig seien.
Belarus, die Türkei und Russland sind natürlich nicht die einzigen problematischen Staaten, die das Gesetz eingeführt haben. Es ist nicht das Ziel dieses Artikels alle durchzusprechen, dennoch zeigen die Beispiele (Venezuela, Ethiopien, Mali, Marokko, Nigeria, Pakistan, Ägypten, um nur noch ein Paar zu nennen), die Gefahr, die sich durch das NetzDG nun realisiert.
Der deutsche Staat ist nicht autoritär, sondern ein demokratischer Rechtsstaat. Es ist keineswegs das Ziel der deutschen Regierung böse Absichten vorzuwerfen. Effektiv schaffte sie aber ein Monstrum, das von den autoritären Regimen in der ganzen Welt als Vorlage für Gesetze dient, die die Meinungsfreiheit und den freien Austausch von Information ihrer Bürger einschränken können und sollen.
Deutschland ist mit seinem guten Ruf dabei nicht nur ein Vorbild, sondern wird auch dazu genutzt, um dem Gesetzesvorhaben mehr Druck und mehr Legitimation zu geben. Es ist nur schwer sich dieser Verantwortung zu entziehen.
Justitia: The Digital Berlin Wall: How Germany (Accidentally) Created a Prototype for Global Online Censorship
Justitia is Denmark’s first judicial think tank. Justitia aims to promote the rule of law and fundamental human rights and freedom rights both within Denmark and abroad by educating and influencing policy experts, decision-makers, and the public. In so doing, Justitia offers legal insight and analysis on a range of contemporary issues.
Erstmals erschienen in englischer Version bei The Conservative