Der Berliner Ausflug in die Gefilde der Preisfestsetzungen endete beim Bundesverfassungsgericht. Aber was dort nicht endete, sind die Eingriffe des Staates in Belange der Bürger: Der Mietendeckel und seine Konsequenzen sind ein klassisches Beispiel für die Dynamiken des Interventionismus.
Die Bekanntgabe des Stopps des Berliner Mietendeckels wird bei den meisten Mietern, allen Vermietern sowie jenen, die mit den Grundlagen der Ökonomik bekannt sind und keine Freude daran finden, den Wohlstand (fast) aller zu mindern, für Erleichterung gesorgt haben.
Die Geschichte des Berliner Mietendeckels endete aber nicht mit dem Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter. Sie geht weiter. Ein Blick auf die Reaktion der Opposition zeigt wie: „Die CDU-Fraktion schlägt einen Härtefall-Fonds für diejenigen Mieterinnen und Mieter vor, die aufgrund der falschen Versprechungen von SPD, Linken und Grünen jetzt in wirtschaftliche Bedrängnis kommen.“ Ein hehres Begehren. Sicherlich mag man einwenden, dass jede Mieterin das Vorsorgeprinzip hätten anwenden müssen. Aber wer will schon die Pflicht des Staates abstreiten, für den Schaden einzustehen, den er zumindest mitverursacht hat.
Genau hier finden sich die Dynamiken, die durch Interventionen des Staates entstehen können. Eine Intervention ist ein auf Zwang beruhender Eingriff in das freie Handeln anderer. Genau das also, womit in Berlin eine Verbesserung der Wohnungssituation erreicht werden sollte. Das scheiterte nicht nur am Gesetz, sondern auch in der Wirkung, da sich die Situation am Berliner Wohnungsmarkt drastisch verschlechtert. Das Resultat: mehr Interventionen, mehr Staat. Das wiederum ist die Dynamik: eine Intervention begünstigt eine weitere Intervention. Eine sich verschärfende Spiral kann entstehen.
Denn die erwiesenermaßen inadäquate Maßnahme führt nun zu einem Hilfspaket für die betroffenen Mieter. Der Steuerzahler wird nun gezwungen, 10 Millionen Euro zu zahlen für das Handeln der Staatsoberen. Aber wie genau kommt es dazu?
Die erste wichtige Zutat für Interventionsdynamiken sind Wissensprobleme, die den Staatseingriff plagen. Der Staat versucht den Marktprozess zu verbessern – aber wie soll das gehen? Es ist ja gerade das dezentrale Zusammenspiel aller, das Preise entstehen lässt. Und diese dienen den Akteuren wiederum als wichtiges Hilfsmittel. Kein Einzelner besitzt das Wissen, um die Preise optimal festzulegen oder gar alle vorteilhaften Austausche zu dekretieren. Und besäße er dieses Wissen, wäre der Marktprozess überhaupt nicht mehr notwendig.
Diese Wissensprobleme können aber auch darin münden, dass Gesetze verabschiedet werden, die von anderer Stelle zurückgepfiffen werden. So ist es beim Berliner Mietendeckel gelaufen – auch wenn dieses Ergebnis womöglich einkalkuliert wurde. Aber auch das hat, wie wir sehen, seine unvorhergesehenen Probleme. Im Fall des Mietendeckels ist es die vom Staat bewirkte oder zumindest stark begünstigte prekäre Situation vieler Mieter.
Wissensprobleme sind der Treiber der Interventionsdynamik. Sie bewirken, dass Eingriffe ihre Ziele verfehlen und für unerwartete, negative Konsequenzen sorgen. Dies leitet uns zur Frage, wieso der wohlmeinende Politiker oder Bürokrat bei offensichtlichem Scheitern weiter intervenieren sollte: die zweite Zutat von Interventionsdynamiken.
Diese zweite Zutat ist die Komplexität der Welt kombiniert mit unserer radikalen Ignoranz: es ist unklar, was genau zu der schlechten Situation geführt hat. Der Intervention fehlte möglicherweise die Strenge, man hätte auch woanders intervenieren müssen, Sonderfaktoren sind schuld. Weit hergeholte Rationalisierungen und Ad-hoc-Erklärungen stehen bereit. Wo für den einen der Staat versagt hat, ist und bleibt er für den anderen der Hoffnungsträger. So ist es möglich, dass die Politikerin die Maßnahme nicht als gescheitert ansieht, sondern sie weiter unterstützt – und gar für mehr oder strengere Maßnahmen optiert.
Im speziellen Fall des Mietendeckels sind wir kaum zu dieser Situation gekommen. Durch den die Eingriff des Bundesverfassungsgerichts wurde die Maßnahme extern beendet, bevor es zu einer vollständigen Katastrophe kommen konnte. Nichtsdestotrotz bezeugt die weitreichende Unterstützung eines bundesweiten Mietendeckels und sogar der Wunsch nach Enteignungen trotz der negativen Auswirkungen des Berliner Mietendeckels auf den Wohnmarkt die oben beschriebene obskure Logik.
Um das Rezept für unsere Interventionismusspiralen abzurunden, wird es garniert durch endogene Veränderungen der politischen Meinung. Die Interventionen selbst beeinflussen, wie die Bürger zum Gebrauch von Interventionen stehen – sie lenken die Politik in Richtung mehr Staatseingriffe. Die Berliner Hauseigentümerin wollte sich durch das Zinshaus den Lebensabend finanzieren und wurde durch den Mietendeckel in ihrer Existenz bedroht. Sie wird nun weniger Skrupel haben, für Staatseingriffe zu Gunsten der Vermieter – eine Mindestmiete vielleicht? – Stimmung zu machen. Der Unternehmer muss beobachten, wie seine hart verdienten Euros wegen des Versagens der Politik an zahlungsunfähige Mieterinnen gehen. Er wird sich nun bestätigt und berechtigt fühlen in seinen vorsichtigen Versuchen, die Staatsmacht zum Schutz seiner Firma zu gebrauchen – und schließlich machen die CDU-Politiker das ja sowieso alle auf höchst professioneller Art und Weise.
Die Dynamiken der Staatseingriffe sind keine Notwendigkeit. An jedem Entscheidungsknoten können wir zurückgehen. Es besteht immer die Möglichkeit, umzukehren und uns abzuwenden von den immer weitergehenden Eingriffen des Staates in das Leben der Menschen. Aber die Logik, die vorherrscht, drängt uns immer weiter in die Richtung mehr Staat. Das zwingt uns, die Augen offenzuhalten und möglichst frühzeitig Halt zu sagen. Früh genug, um nicht die letzte Abzweigung, das letzte Stopp-Schild auf der Straße zur Knechtschaft zu verpassen.