Milton Friedman hat überall dort, wo man gewillt war ihm zuzuhören, seine Überzeugungen verteidigt. In Chile wie auch in China. Das sollte man ihm nicht zum Vorwurf machen, zumal einseitig. Stattdessen sollte er uns damit ein Vorbild sein.
Wer heute durch Shanghai oder Shenzhen flaniert, der kommt aus dem Staunen nicht heraus. Die beeindruckenden, farbenfrohen Skylines vermitteln das Bild von jungem Wohlstand. Ja, man trifft dort auch auf sehr arme Viertel, in denen dieses neue Zeitalter wenig zu spüren ist. Aber dass ein Land, welches in den späten 1970ern noch in tiefer Armut versunken war, nun nur wenige Jahrzehnte später solche Skyscraper bauen kann und mittlerweile ein vibrierendes Wirtschaftsleben hat, ist bewundernswert.
Entscheidend für diese Entwicklung war Deng Xiaopings Politik der Reform und Öffnung Ende der 1970er und Anfang der 1980er. Der Staat zog sich mehr und mehr aus der chinesischen Wirtschaft zurück, Märkte und freie Preisstrukturen konnten sich bilden und somit allen Wirtschaftsakteuren in ihren ökonomischen Entscheidungen helfen. Die Bürger besaßen nun die Freiheit, sich ihren Wohlstand im freien Wettbewerb zu erarbeiten – und das heißt zeitgleich damit auch die anderen reich zu machen.
Aber das war eben nicht immer so. Lange Zeit war China sowohl wirtschaftlich als auch politisch alles andere als frei. In China wurden Millionen Menschen für eine verbrecherische Ideologie geopfert. Politische Freiheit sollte es auch später nicht geben, wie das Massaker vom Tiananmen-Platz in bedrückender Weise bezeugte.
Nach dem Tod Maos stand China vor dem Scheideweg. Noch mehr desselben oder eine Abkehr von altbekannten kommunistischen Facetten waren die Optionen. Xiaoping und viele andere Parteigenossen erster Stunde entschieden sich schließlich für die stichprobenartige Zuwendung zur Marktwirtschaft. Im Zuge dieser Entwicklung reiste auch der US-Ökonom Milton Friedman – zuerst in 1980 – nach China, um dort für Unternehmertum und die Freiheit einzustehen.
Friedman ist einer der großen, aber auch umstrittenen Chicagoer Ökonomen. Positivismus, Monetarismus und ein rigoroses Bekenntnis zur Marktwirtschaft zeichneten den US-Amerikaner aus. Mit seiner Serie Free to Choose nahm er großen Einfluss auf die amerikanische Gesellschaft. Wohl mehr als jeder andere Ökonom seiner Zeit.
Allerdings wurde ihm auch die strikte Ablehnung von Corporate Social Responsibility vorgeworfen, der er die These entgegen stellte, dass die einzige Pflicht von Unternehmen sei, sich um ihre Profit-Maximierung zu kümmern (Friedman doctrine). Stark kritisiert wurde auch seine Rolle in Chile. Dort hatte er Vorlesungen gehalten und eine längere Unterredung mit dem damaligen Diktator Pinochet geführt. Friedman hat dort stets die Marktwirtschaft gepriesen und sich eine politische Liberalisierung durch die freiere Wirtschaft erhofft.
Das haben ihm viele vorgeworfen. Und noch heute wird die Rolle, die einige Liberale dort spielten, den heutigen Vertretern zur Last gelegt. Aber dieser Vorwurf steht auf wackligen Füßen. Er hängt an der Prämisse, dass die Beratung von Unrechtsregimen und das Präsentieren von Ideen in solchen gleichbedeutend ist mit einer Unterstützung dieser Unrechtsregime oder gar damit, deren Anhänger zu sein. Das ist es aber nicht.
Im Gegenteil kann es nur wenige wichtigere Aufgaben geben als in gerade jenen Ländern, die weit von unseren Idealen entfernt sind, für eben diese Ideale einzustehen. Dazu gehört auch das resolute Ansprechen von Menschenrechtsverletzungen. Falls Liberale dies unterlassen haben, dann ist es selbstverständlich auch legitim sie dafür zu kritisieren.
Aber das ändert nichts daran, dass das Einstehen für die eigenen Ideale, der Kampf für die Ideen des Liberalismus nichts Anrüchiges ist – egal, wo er ausgefochten wird. Friedman hat sich als jemand hervorgetan, der solche Mühen nie gescheut hat. Er hat nicht nur in Chile, sondern auch in Jugoslawien und China die Freiheit verteidigt und 1988 sogar eine Unterredung mit dem damaligen Generalsekretär Zhao Ziyang geführt.
Dass Friedman nun als Pinochet-Freund, aber nicht als Tito-Spezi oder gar China-Genosse kritisiert wird, ist ein kurioser Umstand. Friedman selbst kommentierte das verschmitzt:
Der direkte Einfluss Friedmans auf die Entwicklungen sowohl in Chile und China als auch in Jugoslawien dürfte wohl relativ gering gewesen sein. Aber mit großer Sicherheit hat Friedman mit seinem unermüdlichen Kampf für die Freiheit einen erheblichen indirekten Einfluss auf viele positive Entwicklungen des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts genommen. So ist es auch zum Teil das Verdienst Friedmans, dass viele Chinesen der Armut entkommen sind und es in Shanghai und Shenzhen nun überwältigende Skylines zu betrachten gibt.
Friedman war vieles, aber mit Sicherheit kein Kommunist und schon gar kein kein Pinochet-Freund. Er war ein standfester Liberaler, und als solcher hat er versucht jeden, der ihm zuzuhören bereit war, von den Idealen der Freiheit zu überzeugen. Dabei war es ihm ganz egal, wer es war, zu dem er sprach. Gerade wegen dieser Einstellung sollte er uns ein Vorbild sein!