Die EZB beraubt uns unserer Zukunft

von Juan de Dios Estevez

Der Häuserkauf und der Vermögensaufbau wird für die junge Generation zunehmend schwieriger. Das hat mit der EZB zu tun, deren ultralockere Geldpolitik ein Treiber der Ungleichheit ist – und damit von sozialen Spannungen.

Eine Studentenstudie des Beratungsunternehmens Ernst & Young im Jahr 2018 ergab, dass mehr als 40 Prozent der Studenten einen Arbeitsplatz im Öffentlichen Dienst für attraktiv halten. Das sind 25 Prozent mehr im Vergleich zu der gleichen Befragung zwei Jahre früher. In der Studie von 2020 bleibt der Öffentliche Dienst weiterhin die beliebteste Branche unter Studenten. Interessant ist hier auch, dass die junge Generation den Faktor „Jobsicherheit“ deutlich über andere wie „Gehalt und mögliche Gehaltssteigerungen“ und „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ platziert.

Die Studien spiegeln eine wachsende Abhängigkeit der jüngeren Generation vom Staat wider – eine Generation, die scheinbar Sicherheit und Behaglichkeit gegen Risiko und Innovation getauscht hat. Ob die Gründe für diese Entwicklung sich nur mit Bequemlichkeit oder sogar Faulheit erklären lassen, ist höchst fragwürdig. Laut einer weiteren Umfrage haben knapp 46 Prozent der 15- bis 30-Jährigen „Angst vor der Zukunft“; die Pandemie hat diese Ängste nur verschärft. Es ist daher vielleicht sinnvoll oder gar rational, dass junge Menschen in diesen unsicheren Zeiten den sichersten Weg beschreiten wollen: den des Staatsdienstes. Das hat aber massive Konsequenzen für die langfristige Entwicklung der Volkswirtschaft und Gesellschaft Deutschlands.

Für meine Generation scheint der Traum von Eigenheim, Kinder und Vermögensaufbau, genau das zu bleiben: ein Traum. Während die Stimmen lauter werden, die die Schuld in der immer globalisierten Welt suchen, wird selten diskutiert, dass die letzten Entwicklungen eher das Ergebnis der „Störung der wirtschaftlichen Ordnung“ sind. Bürokraten in der Sonnemannstraße 20 in Frankfurt am Main behaupten, die europäische Volkswirtschaft in einfachen Modellen zusammenfassen zu können – die Wirtschaft ließe sich mit Richtlinien und Maßnahmen wie geplant beeinflussen. Mal den Zins um X,Y Prozentpunkte senken, um die Wirtschaft anzukurbeln; mal ein Anleihe-Rückkaufnotfallprogramm einführen – dann wird der Wohlstand schon zu uns kommen. Diese vereinfachende – oder gar naive – Vermutung bringt mit sich unzählige Nebenwirkungen. Denn der marktwirtschaftliche Prozess besteht letztendlich aus unendlichen Interaktionen zwischen den Individuen in der Gesellschaft. Kein Mensch und schon gar keine VWL-Formel kann diese Interaktion vorhersagen und für alle möglichen Resultate einen Plan bereitstellen. Statt klare Rahmenbedingungen zu schaffen, um den reibungslosen Ablauf der Wirtschaft zu sichern, überreguliert und verzerrt die EZB unseren marktwirtschaftlichen Prozess. Es ist die Europäische Zentral Bank (EZB) und ihre ultralockere Geldpolitik, die zu „wachsenden gesellschaftlichen und politischen Spannungen“ führen könnte, so Prof. Dr. Schnabl, Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Denn die europäische Geldpolitik ist ein Treiber der Ungleichheit – mit einer Reihe an Nebenwirkungen, die unsere junge Generation am meisten betreffen.

Die Zahl der Privatanleger in Deutschland bleibt weiterhin eine der niedrigsten in Europa. Die deutsche Mittelschicht setzt weiterhin auf Sparbücher. Aber dank der niedrigen Zinsen, der Inflation und weiteren Gebühren, sieht der Deutsche Sparer eher eine Entwertung seiner Ersparnisse, als einen Wertzuwachs. Profitieren können nur Menschen, die Aktien und Immobilien besitzen, und meistens gehören diese eher den wohlhabenden Schichten an. Die künstliche Zinspolitik soll bewirken, dass der Bürger weniger spart, dafür aber mehr konsumiert. In einer gesunden Volkswirtschaft nimmt der Konsum ab, wenn die Ersparnisse sich erhöhen – ein niedrigerer Zins signalisiert also eine Zunahme der Ersparnisse (und daher einen höheren Konsum in der Zukunft). Die Niedrigzinspolitik der EZB verzerrt jedoch den Zins, ein Marktphänomen, das der Wirtschaft eigentlich als Informationsträger dienen soll. Die Niedrigzinspolitik sendet somit falsche Signale an die Wirtschaft; die Senkung der Zinsen stützt sich nicht auf eine Erhöhung der Ersparnisse, sondern auf eine Entscheidung der EZB.

Durch das billige Geld werden Banken und Unternehmen vor der Pleite bewahrt, und somit mögliche Bankenkrisen und Arbeitslosigkeit verhindert. Die EZB erhofft sich, durch den niedrigen Zins Wachstum und Investitionen aufrecht zu halten. Dies hat jedoch einen Einfluss auf die Produktivität – da Banken Krediten sehr einfach vergeben, verschwindet die Produktivitätsdruck bei den Unternehmen (die können ja falls nötig, sehr einfach auf die Kredite zugreifen). Dies führt zu eine Fehlallokation von Ressourcen: finanziert werden große, unproduktive Firmen statt kleine, agile und neue Unternehmen. Darauffolgend werden Banken und Unternehmen letztendlich zombifiziert.

Weitere Folgen des billigen Geldes zeigen sich in den Immobilienpreisen. Der künstliche Aufschwung treibt die Immobilienpreise nach oben, was wiederum mehr Spekulanten anzieht. Und wer einen höheren Preis für eine Immobilie bezahlt hat, der erwartet auch höhere Mieteinnahmen. Die Gruppe, die darunter am meisten leidet, ist wieder die junge Generation, die zu Studium und Arbeit in die großen Städte zieht. Auch wenn die Immobilienpreise wieder sinken würden, müssen Mieten nicht unbedingt auch sinken, das zeigt zum Beispiel Japan:

„In Japan sind […] im Jahr 2013 die Immobilienpreise um 44 Prozent gefallen. Die Mieten, die sich nur selten nach unten bewegen, gingen zwischen 1998 und 2013 um 4 Prozent zurück“ schreibt Prof. Dr. Schnabl.

Während die alte Generation es noch für möglich hielt, ihr eigenes Heim zu finanzieren, können junge Menschen sich das nicht mehr leisten – mit steigenden Immobilienpreisen und Mieten fällt die Entscheidung, eine Familie zu bilden, immer schwieriger. Die Zombifizierung der Wirtschaft beeinflusst die Produktivität, und diese beeinflusst direkt die zukünftigen Löhne. Leider betrachtet die Mehrheit der Menschen diese Situation als ein Versagen des marktwirtschaftlichen Prozesses, und nicht als eine künstliche Verzerrung, die durch die Banken vorangetrieben wurde. Dies führt, wie wir bereits in Berlin erleben mussten, zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft. Eigentum wird in Frage gestellt und die Verfassung mit Füßen getreten. Aber keiner hinterfragt die Kompetenzen der EZB.

Wir leben in der besten Epoche der Menschengeschichte, technologischer und medizinischer Fortschritt machen unser Leben einfacher und bringen Menschen näher zusammen. Trotz dessen, dass die freie Marktwirtschaft Millionen Menschen aus der Armut gebracht hat, fürchten immer mehr jungen Menschen um ihre Zukunft und die Möglichkeit, ihre Träume zu verwirklichen. Während der Wettbewerb uns enorme Vorteile brachte, wie zum Beispiel niedrigere Preise bei Medikamenten, Kühlschränken oder Supercomputers, die in unsere Taschen passen, ist es immer schwieriger den Lebensstandard der vorherigen Generation in anderen Gebieten halten zu können, wie Immobilien oder Vermögensaufbau – ausgerechnet die Gebiete, die am meisten unter staatlichen Interventionen leiden. Risiken einzugehen, unternehmerische Tätigkeit und Innovation müssen sich wieder lohnen. Es braucht keine neuen Anreize, sondern einen Abbau der Hindernisse. Der Staat darf nicht mehr der attraktivste Arbeitgeber sein.

Glücklicherweise kennt die menschliche Innovation keine Grenzen. Während die EZB die Gelddruckmaschine warmhält und unsere Zukunft gefährdet, entstehen immer neue Alternativen, die das Geldmonopol in Frage stellen. Kryptowährungen, wie Bitcoin, könnten uns in der nahen Zukunft eine Alternative zu den geschwächten staatlichen Währungen anbieten. Europa braucht mehr Wettbewerb, das sollte auch für die Währung gelten. Und vielleicht – nur vielleicht – sollte die Diskussion über die Abschaffung der EZB (END THE EZB!) ihren verdienten Platz im öffentlichen Diskurs einnehmen.

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