Dr. Kristian Niemietz ist Leiter der Abteilung Political Economy des Londoner Institute for Economic Affairs. Er hält einen PhD in Political Economy vom King’s College London. Kürzlich erschien sein Buch Sozialismus: Die gescheiterte Idee, die niemals stirbt in der Edition Prometheus.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Freiheit in den letzten 100 Jahren?
Auf so lange Sicht – recht positiv, denn ein viel größerer Teil der Weltbevölkerung lebt heute in Wirtschaftssystemen, die man im weitesten Sinne als „marktwirtschaftlich“, und in politischen Systemen, die man im weitesten Sinne als „demokratisch“ bezeichnen kann. Dementsprechend hat sich auch fast jeder Indikator des wirtschaftlichen, sozialen und sogar ökologischen Fortschritts rasant verbessert. Wir zehren allerdings vom Erbe der Vergangenheit, denn ich würde sagen, dass der Liberalismus seit den 1990ern kaum noch große Siege errungen hat.
Was erwarten Sie in puncto Freiheit vom 21. Jahrhundert?
Da bin ich pessimistisch, denn gerade bei jüngeren Leuten sind sozialistische Ideen wieder extrem in Mode gekommen, und ich glaube nicht, dass das nur eine vorrübergehende Phase ist. Hier müssen Liberale unbedingt dagegenhalten. Die alten Auseinandersetzungen von gestern sind leider wieder die von heute geworden, und wir müssen sie noch einmal führen.
Wenn Sie eine riesige Botschaft am Brandenburger Tor platzieren könnten, was würde darauf stehen und warum?
Vermutlich was zum Thema Mietpreiskontrollen, denn das ist ja in Berlin besonders relevant. Mietpreiskontrollen sind wie Sozialismus im Kleinformat: tausendmal probiert, tausendmal gescheitert, und trotzdem nach wie vor extrem beliebt. Da scheint niemand irgendetwas aus der Erfahrung lernen zu wollen.
Wo sind für Sie die Grenzen der Freiheit? Wann muss Freiheit eingeschränkt werden?
Wir haben gerade ein Paradebeispiel hiervon gesehen, nämlich eine Pandemie, in der Freiheit nicht das Recht beinhaltet, einen tödlichen Virus herumzuschleudern. Ähnliches gilt, in geringerem Maße, auch bei anderen Externalitäten, also vor allem im Bereich der Umweltverschmutzung. Allerdings ist das kein Grund, den Liberalismus plötzlich völlig über Bord zu werfen, denn selbst in Extremsituationen wie Pandemien gibt es freiheitskompatiblere und weniger freiheitskompatible Methoden, darauf zu reagieren.