Clemens Schneider ist Direktor von Prometheus – Das Freiheitsinstitut und ein gefragter Netzwerker in der liberalen Szene. Schneider promoviert zu Lord Acton.
Was heißt Freiheit für Sie?
Die Talente und die Energie, die in einem stecken, ungehindert zur Entfaltung bringen zu können. Das macht nicht nur das eigene Leben besser, sondern auch das von vielen anderen.
Welches Buch (oder Bücher) haben Sie bisher am meisten verschenkt?
Das hängt ja doch ganz stark von der jeweiligen Person ab, an die es gehen soll. Sorry, wenn das jetzt etwas kitschig klingt, aber ich glaube wirklich: Das beste Buch, das man Menschen zum Lesen geben kann, ist das eigene Leben. Man muss liebenswürdig und konsequent die eigenen Werte und Ideale leben – das überzeugt nachhaltiger als jedes noch so gute Buch.
Was erwarten Sie in puncto Freiheit vom 21. Jahrhundert?
Wie die Liberalen im 19. Jahrhundert bin ich ein unverbesserlicher Optimist – trotz des 20. Jahrhunderts. Darum erwarte ich mir, dass es besser wird. Das merkt man nicht immer sofort, aber ich bin überzeugt: in der Rückschau haben doch meistens die Optimisten recht.
Wo sind für Sie die Grenzen der Freiheit? Wann muss Freiheit eingeschränkt werden?
Abgesehen von dem offensichtlichen „dort, wo die Freiheit des anderen beginnt“ eigentlich nirgendwo. Mich interessiert vielmehr die Frage: Wo sind wir inzwischen so weit, dass wir bestehende Beschränkungen der Freiheit aufheben können? Ich glaube, die Menschheit muss sich langsam an die Freiheit gewöhnen. Und wie ein Kind Stück für Stück entdeckt, was es tatsächlich alles alleine kann, so sind wir als Gesellschaften, ja als ganze Menschheit auf einem Weg zu entdecken, wie man Probleme in freier Zusammenarbeit löst statt durch Einschränkungen der Freiheit.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Freiheit in den letzten 100 Jahren?
Der Siegeszug der Marktwirtschaft ist phänomenal – das dürfen wir nicht vergessen bei aller berechtigten Kritik an noch existierenden und neu entstehenden Beschränkungen. Und die gesellschaftliche Freiheit hat in den letzten Jahrzehnten in Warp Speed zugenommen. Bei einer UN-Hauptversammlung 1960 waren ausschließlich Männer präsent, die alle offiziell heterosexuell waren. Heute trifft dort die lesbische Ministerpräsidentin von Serbien auf die kenianische Generalsekretärin der WTO. Das ist schon ziemlich geil! „Freiheit führt zu Vielfalt und Vielfalt schützt die Freiheit“ – diese Erkenntnis von Lord Acton haben wir im letzten Jahrhundert mehr gelebt als je zuvor.
Wenn Sie eine riesige Botschaft am Brandenburger Tor platzieren könnten, was würde darauf stehen und warum?
Ich würde auf der Westseite ein Banner aufspannen, auf dem steht: „Nehmt Euch nicht so wichtig!“ Das ist ja die Seite, die dem Bundestag gegenüber liegt. Ich finde es immer etwas beschämend, wenn ich mitbekomme, wie Unternehmerinnen, die zum Teil aus dem Nichts etwas aufgebaut haben, die hunderte Arbeitsplätze und fantastische Güter bereitstellen, ehrfürchtig gegenüber Politikern auftreten. Dabei läuft der Laden hier doch vor allem, weil die Inhaberin des Spielzeugladens, der Mann von der Freiwilligen Feuerwehr, die Investigativ-Journalistin und der LKW-Fahrer Wohlstand erwirtschaften und sozialen Kitt schaffen.
Welchen Rat würden Sie einem klugen, motivierten Studenten geben, der gerade sein Studium abgeschlossen hat und in die Jobwelt eintritt? Welchen Rat würde Sie ihm raten zu ignorieren?
Wenn Du jetzt wichtige Entscheidungen triffst, stell Dir vor, wie Du in 60 Jahren auf Dein Leben zurückblickst. Was wird Dich dann stolz, glücklich und dankbar gemacht haben?
Lieber eine freie, aber arme Gesellschaft oder eine prosperierende Diktatur?
Freiheit – immer! Denn im Kern geht es um die Würde des Menschen. Wenn nicht viele Menschen vor uns so gedacht hätten und danach gehandelt hätten, würden wir heute in einer ganz anderen, sehr viel schlechteren Welt leben.