Prof. Dr. Gunther Schnabl ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler. Er ist Professor an der Universität Leipzig, wo er das Institut für Wirtschaftspolitik leitet, und setzt sich vor allem mit Geld- und Konjunkturtheorie auseinander.
Was heißt Freiheit für Sie?
Freiheit ist Abwesenheit von Zwang. Für mich persönlich bedeutet Freiheit auch, ohne Einschränkungen den Ursachen von Problemen auf den Grund zu gehen.
Welche ein bis drei Bücher hatten den größten Einfluss auf Ihr Leben?
Bücher haben vor allem meine wissenschaftliche Entwicklung geprägt. “Money and Capital in Economic Development” von Ronald McKinnon hat mir die Augen für die zentrale Rolle freier Finanzmärkte für Wachstum und Wohlstand geöffnet. „Preise und Produktion“ von Friedrich August von Hayek ist seit mehr als 20 Jahren die Grundlage meiner Forschung zur Rolle der Geldpolitik für Krisen und wachsende Ungleichheit. „Manias, Panics and Crashes” von Charles Kindleberger hat mir verdeutlicht, dass Wirtschaftspolitik und Krisen immer auch in einen historischen und politischen Kontext eingebettet sind.
Was erwarten Sie in puncto Freiheit vom 21. Jahrhundert?
Seit der Jahrtausendwende haben vielerorts die wirtschaftliche Freiheit und auch die persönlichen Freiheiten abgenommen. Man kann darüber nachdenken, ob beide Prozesse miteinander verbunden sind. Ich hoffe, dass es bald zu einer Rückbesinnung auf den Wert der Freiheit kommt. Denn: Unfreiheit lehrt Freiheit.
Wo sind für Sie die Grenzen der Freiheit? Wann muss Freiheit eingeschränkt werden?
Die persönliche Freiheit endet dort, wo die Freiheit der anderen beginnt. Jeder sollte respektvoll im Umgang mit seinem Umfeld sein. Auch eine freiheitliche Ordnung braucht Gesetze und tradierte Wertvorstellungen, die zu beachten sind. Es ist schick geworden, täglich neue Regeln und Verbote zu fordern. Mit überstürzten Einschränkungen der Freiheit, die auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, wäre ich vorsichtig.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Freiheit in den letzten 100 Jahren?
Das Pendel schwingt hin und her. Insbesondere in Deutschland haben wir extreme Einschränkungen der Freiheit und auch überwältigende Liberalisierungsprozesse erlebt. Derzeit beobachten wir eine schrittweise Abkehr von der Freiheit, die auf überraschend wenig gesellschaftlichen Widerstand trifft. Ich hoffe, dass sich das Blatt bald wieder wendet. Das Freiheitsbewusstsein junger Menschen könnte dafür entscheidend sein.
Wenn Sie eine riesige Botschaft am Brandenburger Tor platzieren könnten, was würde darauf stehen und warum?
Keine individuelle Freiheit ohne wirtschaftliche Freiheit.
Welchen Rat würden Sie einem klugen, motivierten Studenten geben, der gerade sein Studium abgeschlossen hat und in die Jobwelt eintritt?
Manchmal scheint mir, dass die Politik die jungen Menschen vergessen hat. Ich würde jungen Menschen raten, sich dorthin zu orientierten, wo man noch auf Eigenverantwortung setzt, Spielräume zulässt, Privateigentum schützt und Leistung honoriert. Ich würde davon abraten kurzfristige Vorteile langfristigen Visionen unterzuordnen.
Lieber eine freie, aber arme Gesellschaft oder eine prosperierende Diktatur?
Die Frage ist aus liberaler Sicht widersprüchlich. Ausgehend von der schottischen Aufklärung haben über die Zeit hinweg freiheitliche Verfassungen und wirtschaftliche Freiheit zu hohen Wohlstandsgewinnen geführt. Aber, wenn ich mich entscheiden müsste: Lieber eine freie arme Gesellschaft als eine prosperierende Diktatur.