Vor einigen Jahren entschied die deutsche Bundesregierung den Ausstieg aus der Kernenergie bei gleichzeitiger Subventionierung der Erneuerbaren. Im Jahr 2022 ist das Desaster der deutschen Politik deutlich sichtbar. Bleibt die Frage: Hätte es anders kommen können? Ein Kommentar von Max Molden.
Robert Habeck ist ein prinzipientreuer deutscher Politiker. In der vielleicht größten Versorgungskrise seit vielen Dekaden hält der grüne Außenminister am Nein zur Atomkraft fest, wenn auch nicht mehr kategorisch. Das entspricht den ideologischen Überzeugungen der Grünen. Denn die Umwelt, so der Tenor, muss ja geschützt werden. Dass durch die Kohlekraft viel mehr Menschen sterben, muss man da wohl hinnehmen. Und dass die Grünen sich damit zur Anti-Klima-Partei aufschwingen – geschenkt. Lieber absurd hohe CO2-Emissionen als den Klimawandel mit Kernkraft bekämpfen. So imminent scheint die „Klimakatastrophe“ dann doch nicht zu sein, zumindest wenn es nach den Aussagen der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung geht. Es ist ja auch nicht einfach, sich einzugestehen, dass man auf der falschen Seite der Geschichte steht.
Nun wurde der Ausstieg aus der Kernenergie aber von der CDU entschieden (oder zumindest beschleunigt). Die direkte Verantwortung hierfür trägt Angela Merkel, nicht Partei der Grünen. Von der Entscheidung konnte die Kanzlerin a. D., nebenbei erwähnt, auch unmittelbar profitieren. Nach Merkel die Sintflut?! Den Eindruck kann man bei vielen politischen Entscheidungen bekommen – nicht nur bei jenen, die die ehemalige Kanzlerin getroffen hat. Und wieso sollte dies auch anders sein? Der ehrbare Politiker hat es schwer im Wettbewerb mit den Kolleginnen, die Wahlgeschenke austeilen: an Bürger, Parteibonzen oder die Freunde aus der Wirtschaft (man erinnere sich beispielsweise an CDU’sche Maskendeals oder vergessene Warburg-Treffen des Herrn Olaf S.). Wer länger als bis zur nächsten Wahl denkt, ist der Blöde.
Man kann Politikern wie Heiko Maas, der Donald Trump ob dessen Bedenken wegen einer gefährlichen Abhängigkeit von Russland auslachte, zuschreiben, noble Absichten zu verfolgen. Das mag manchmal stimmen. Aber aus solch guten Beweggründen folgen noch lange nicht gute Konsequenzen. Das Problem ist zweischneidiger Natur. Auf der einen Seite gilt: Jene Politiker, die sich dem Gemeinwohl verschreiben, haben im politischen Prozess schnell das Nachsehen. Denn ihre Kolleginnen, die kurzfristig agieren und Sonderinteressen bedienen, stehen oft besser da. Und auf der anderen Seite muss man aber auch fragen: Wie sollen Einzelne das Wissen in Erfahrung bringen, das es bedarf, um noble Intentionen in gute Konsequenzen zu überführen? Wie soll ein deutscher Politiker und eine deutsche Bürokratin ernsthaft in der Lage sein, so etwas wie eine Energiewende zu planen? Keine Person verfügt letztlich über das Wissen, das in der Marktwirtschaft in einem Prozess des Wettbewerbs generiert und auch verwendet wird.
Gerade in solchen Situationen wie der jetzigen Energiekrise könnte man denken, dass der Staat gefragt ist. Aber vielleicht sind es gerade solche Situationen, in denen der Staat seine Finger aus dem Spiel lassen sollte. Denn Politiker werden dazu getrieben, kurzfristig zu denken; und sie scheitern in komplexen Situationen daran, gute Lösungen zu finden. Es ist ein Leichtes, jetzt zu betonen, dass Frau Merkel mit dem Atomausstieg einen Riesenfehler begangen hat. Und genauso ist jedem klar, dass Heiko Maas die Weitsicht einer Blindschleiche besessen hat. Und auch ist es einleuchtend, dass Robert Habeck einfach ein verirrter Ideologe ist, der sich in einer traurigen Wendung des Schicksals zum Klimawandelbekämpfungs-Bekämpfer emporschwingt.
Die Lösung scheint einfach: Hätte man bloß bessere Politikerinnen und Politiker gehabt. Wäre bloß ein weitsichtiger Mann Außenminister geworden, hätten wir eine Kanzlerin gehabt, die weiter als bis zur nächsten Wahl denkt, einen Minister, der kein verbohrter Ideologe wäre. Dann wäre alles gut. Nur besteht das Problem des politischen Prozesses darin, dass gerade diese Menschen an der Macht sind – und ihre Macht beinhaltet, solche weitreichenden Entscheidungen zu treffen. Dagegen kommt man nicht an, indem man sich andere, bessere Leute auf diese Positionen wünscht. Die Lösung muss eine Lösung auf Systemebene sein: Es muss erreicht werden, dass gute Politiker gute Chancen im politischen Prozess besitzen. Dafür ist es notwendig, dass die Macht der Politik stärker eingegrenzt wird. Denn wenn niemand Wahlgeschenke verteilen kann, setzen sich nicht mehr jene durch, die schamlos Freunderlwirtschaft betreiben. Hätte es also anders kommen können? Ja, aber nur durch eine Reform der Politik.