Freie Privatstädte: Utopia nur für Reiche oder Rettung für die Armen?

von Juan de Dios Estevez

Wenn man zum ersten Mal vom Konzept Freier Privatstädte hört, denken viele unweigerlich an Steueroasen und pompöse Villen am Strand. Viele Kritiker dieses Konzepts sind fest davon überzeugt, dass Freie Privatstädte nur etwas für Gutverdiener, Steuerhinterzieher und transnationale Unternehmen sind. Aber das ist ein Irrtum. Die größten Gewinner solcher Projekte sind in erster Linie Menschen aus armen Entwicklungsländern.

Werfen wir einen Blick auf Lateinamerika und die Karibik. Sieben von zehn der Länder mit den größten Mordraten der Welt befinden sich dort. Hohe Kriminalitätsraten und Korruption sind so verbreitet wie die Liebe zum Fußball. Mangel an Rechtsstaatlichkeit und schwache Institutionen behindern die freie Entfaltung des Individuums. Angst vor schwachen Eigentumsrechten und volatilen Finanzsystemen schrecken Investoren und Entrepreneure ab. Seit Jahrzehnten versuchen Akademiker, Entwicklungshelfer, Politiker, internationale NGOs und zig weitere Menschen und Institutionen, etwas daran zu ändern – jedoch mit wenig Erfolg.

Von einem so kaputten System profitieren nur bestimmte Gruppen von Menschen und das sind meistens die Politiker und ihre Cronies. Diese elitären Kreise entscheiden, welche Gesetze verabschiedet oder welche neuen Subventionen vergeben werden. Der Bäcker oder die Obstverkäuferin in dem Mercado haben wenig zu melden – und am System werden sie kaum etwas ändern können.

Wenn die Obstverkäuferin, die seit fünf Uhr ihren Obststand betreibt, sich auf dem Nachhauseweg noch zusätzlich Gedanken machen muss, ob sie diesmal wieder im Bus ausgeraubt wird oder nicht, dann geht viel Energie verloren. Energie, die in produktive Tätigkeiten gesteckt werden könnte. Wenn der Bäcker sich nicht selbständig machen kann, weil eine überbordende Bürokratie dies verhindert – dann werden viele unternehmerische Möglichkeiten einfach nicht umgesetzt. 

Wenn Menschen, die einfach in Frieden gelassen werden möchten, die einfach arbeiten und ihre Familie versorgen wollen, ständig ihre Energie und ihr Potential im aussichtslosen Abnutzungskampf mit Bürokratie und Politik verschwenden müssen, weil die Rahmenbedingungen in ihrer Heimat so katastrophal sind – dann sollten wir uns überlegen, ob wir weiter an diesem System arbeiten sollten oder ob es besser ist, ein neues, paralleles System aufzubauen. Übrigens: Reiche haben in diesen Ländern meistens andere Sorgen als die Arbeiterklasse — sie können sich ein Haus in einer sicheren Gated Community leisten und ihre eigenen Autos fahren.

Stellen wir uns einfach vor, was die Menschen alles erreichen könnten, wenn sie sich nicht ständig Sorgen machen müssten, ob nachts bei ihnen eingebrochen wird oder ob ihre Kinder sicher nach Hause kommen werden. Die Institutionen in solchen Ländern haben versagt. Sie hindern – proaktiv – Wertschöpfung und Wohlstand des kleinen Mannes (und der kleinen Frau!). Sie hindern jene, die eben nicht die Möglichkeit haben, ein Konto im Ausland zu führen oder Kontakte mit den Politikern zu pflegen. Genau für sie ist eine Privatstadt attraktiv.

And let’s be real, der reiche Oligarch wird nicht in eine Privatstadt, die gerade in Mittelamerika oder in einem kleinen asiatischen Land gebaut wird, einziehen. Der reiche Oligarch zieht nach Monaco, Großbritanien, in die Schweiz. Solche Menschen wollen Luxusmarken tragen, in Yachtclubs sein und teure Autos fahren, sie wollen in den Alpen skifahren, im Mittelmeer baden – für sie sind Privatstädte wenig attraktiv.

Privatstädte möchten nicht das System ändern, das bereits existiert. Sie möchten eine neue, alternative Struktur anbieten – die Einführung von Wettbewerb in den Markt des Zusammenlebens. In so einer Stadt schließt das Individuum einen Vertrag mit dem Stadtbetreiber ab. Der Betreiber, ein privates Unternehmen, bietet Dienstleitungen wie innere und äußere Sicherheit, Rechts- und Ordnungsrahmen sowie unabhängige Streitschlichtung. Der Betreiber kann diesen Vertrag später nicht einseitig ändern – missbraucht er seine Macht oder erfüllt er seine Pflichten nicht, dann wandern seine Kunden ab und er geht insolvent. Er hat also ein eigenes wirtschaftliches Risiko und daher einen Anreiz, seine Kunden gut und vertragsgemäß zu behandeln. Hier wird die Stimme der Bäcker oder Obstverkäuferin endlich gehört, denn wenn ein besseres Angebot auf dem Tisch ist, dann können sie mit ihren Füßen wählen und die Stadt wechseln.

Möchte der Einwohner eines Entwicklungslandes sein Leben von gescheiterten Institutionen befreien, dann hat er nur die Möglichkeit auszuwandern, meistens in die USA und Europa – eine Möglichkeit, die wieder nur für die eher Privilegierten in Frage kommt. Mit der Einführung von Privatstädten in diesen Ländern öffnen wir dann der Mehrheit die Möglichkeit auf ein besseres Leben und nicht nur den Wenigen.

Sicherheit für sich, seine Familie und sein Eigentum hat einen enormen Einfluss auf das Leben von Individuen. Sie ist der Grundbaustein für Fortschritt und Wohlstand. Und genau diese Sicherheit ist es, die Privatstädte anbieten. Wo der Staat versagt, sollte ein Privatanbieter ein Angebot machen dürfen – und wer dieses Angebot attraktiv findet, kann in diese Stadt ziehen. Wer das nicht tut, kann weiterhin da bleiben, wo er lebt.

Transparenzhinweis: Als dieser Artikel veröffentlicht wurde, arbeitete der Autor dieses Textes bei der Free Cities Foundation.

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