Der Sirenengesang des Mietendeckels

von Max Molden

Einzig Bauen kann den deutschen Mietmarkt beruhigen. Städte und Staat müssen den Weg frei machen. Ein Beitrag von Vincent Czyrnik und Max Molden.

Als einer von uns vor sechs Jahren seine idyllische 2-Zimmer-Wohnung im Süden Leipzigs abgab, musste der Nachmieter bei seinem Einzug rund 30 Prozent mehr für dieselbe Wohnung bezahlen. Damals war die Freude groß, so günstig in der Wohnung gelebt haben zu können, andererseits empörte es aber auch, dass der sympathische Nachmieter einen solch hohen Preis bezahlen musste.

Der Grund für den Aus- bzw. Umzug war das wirtschaftswissenschaftliche Studium in der Händelstadt Halle. In den ersten VWL-Vorlesungen lernen Studenten eine einfache Gleichung: Auf einem (Wohnungs-)Markt ergibt sich der Preis aus dem Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage. Dass der Nachmieter einen solch hohen Preis bezahlen musste, konnte also nur zwei Ursachen haben. Entweder hatte sich das Angebot an Wohnungen in Leipzig verringert oder konnte, trotz Ausweitung, nicht mit der steigenden Nachfrage mithalten.

Dabei wurde damals wie auch heute in den deutschen Großstädten gebaut. In Leipzig sprossen neue Wohnsiedlungen in die Höhe und wurden Bauruinen aufwändig renoviert. Anscheinend konnte die Angebotsausweitung damals aber nicht Schritt halten mit der immer weiterwachsenden Nachfrage. Mehr und mehr Menschen zogen in die Großstädte, und dazu suchten zu dieser Zeit Hunderttausende Flüchtlinge Schutz in Deutschland. Es wurde mehr und mehr zur Normalität in den großen Städten, dass sehr viele Mieter nach relativ wenigen Wohnungen suchten. Und genau dieselbe Situation erlebte wohl der Leipziger Vermieter: Er hatte so viele Bewerber, dass er den Preis für seine Wohnung leicht um 30% erhöhen konnte – und immer noch schnell einen Nachmieter fand.

Mieterhöhungen verbieten?

Hohe Mieten und vor allem rasant steigende Mietpreise erscheinen unfair. Und so hatte die Politik bereits 2013 damit begonnen, erste Mietpreisregulierungen umzusetzen. 2015 kam dann die sogenannte Mietpreisbremse, wonach, mit Ausnahmen, in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt Neuvermietungen höchstens 10% über der örtlichen Vergleichsmiete liegen dürfen. In vielen deutschen Großstädten wie Berlin, Hamburg oder Leipzig wurden in den vergangenen Jahren solche Mietpreisbremsen beschlossen.

Da Vermieter nun nicht mehr so weit mit den Preisen nach oben gehen dürfen, können sich mehr Menschen die Wohnungen potenziell leisten. Aber dadurch stehen nicht automatisch mehr Wohnungen zur Verfügung. Im Gegenteil: in Großstädten kam und kommt es gerne mal vor, dass hunderte, gar tausende Anfragen für eine Wohnung einprasseln. Vor der Mietpreisbremse konnten die Vermieter einfach den Preis erhöhen und so den für sie optimalen Mieter finden. Nun müssen sich vor allem die Mieter neue Strategien überlegen, wie sie die gewünschte Wohnung ergattern können.

Ähnliches hatte sich in der DDR zugetragen. Als die Mutter von einem von uns kurz vor der Wende nach Leipzig zog, war Wohnraum für alle bezahlbar. Doch gab es damals auch ein Problem: Es gab nicht genug davon. Nur durch Beziehungen konnte sie sich eine Wohnung in der Leipziger Innenstadt sichern; zudem wies diese Wohnung eine marode Bausubstanz auf.

Durch das Verbot von Mieterhöhungen, und sei es nur relativ, gibt es in den deutschen Großstädten ein ähnliches Szenario: Wohnraum wird bezahlbarer – aber nur für die Glücklichen, die bereits welchen haben oder die ihn finden können. Denn es gibt nicht mehr genug, und die Qualität der Wohnungen ist schlechter. Im Vorteil sind zuerst einmal die, die bereits in günstigen Mietwohnungen in den Innenstädten leben. Und dann auch jene, die ein großes Netzwerk an Bekanntschaften haben, über die sie an neue Wohnungen herankommen. Wer nicht Bestandsmieter ist, sondern neu in eine Stadt kommt, ist in einer besonders schwierigen Lage. Das gilt vor allem für all jene, die neu nach Deutschland kommen und über gar keine Kontakte verfügen. Damit benachteiligen die Markteingriffe einige zulasten anderer. 

Zudem befördern Preisregulierungen Diskriminierung. In einem freien Wohnungsmarkt entgehen einem rassistischen Vermieter höhere Mieteinnahmen; in einem mietengedeckelten Markt tendenziell nicht. Durch den vorgegebenen Preis (die Wohnung darf nur 10% mehr kosten als beim Vormieter) und die hohe Anzahl an Bewerbern ist eine diskriminierende Auswahl des Vermieters nicht mit Mietverlusten verbunden.

Nicht nur Preis-, sondern auch Bauregulierung

Wie bereits erwähnt, lernten wir in unseren ersten VWL-Vorlesungen lernt den Preismechanismus aus Angebot und Nachfrage. Noch wichtiger ist aber das, was man in höheren Semestern lernt: Preise sind Signale. Sie vermitteln Wissen und zeigen verändernde Knappheitsverhältnisse an. Werden die Mieten teurer, dann ist das ein Signal an alle Marktteilnehmer. Als Mieter bedeutet das, dass wir statt eines Urlaubs lieber mehr Geld für die Mieterhöhungen beiseitelegen. Gleichzeitig zeigt der höhere Preis den Vermietern bzw. Immobilienbesitzern: das (Miet-)Angebot sollte ausgeweitet werden. Steigende Mietpreise signalisieren den Bauunternehmern mehr zu bauen – schließlich gibt es mehr auf dem Mietmarkt für sie zu holen. Das mutmaßlich egoistische Profitinteresse hat also den altruistischen Effekt, dass tatsächlich mehr Wohnraum entsteht. Und in einem echten Wettbewerb werden von den rivalisierenden Bauunternehmen so lange neue Wohnungen gebaut, bis die Preise wieder auf ein Minimum fallen.

Im Umkehrschluss heißt das aber auch: wird in den Preismechanismus eingegriffen, ist seine Signalwirkung gestört. Es wird nicht so viel gebaut, wie es angesichts von Angebot und Nachfrage wirtschaftlich sinnvoll wäre. Und so kommt es zu einer Schieflage auf dem Markt.

Über Mietpreisregulierungen hinaus greift der Staat auch noch mehr in den Wohnungsmarkt ein. In deutschen Großstädten steht nur eine begrenzte Fläche zur Verfügung, und vielerorts werden große Flächen nicht als Bauland ausgewiesen. Das Tempelhofer Feld in Berlin ist das prominenteste Beispiel. Hinzu kommen Vorschriften, dass beispielsweise nur bis zu einer bestimmten Höhe oder nur unter ökologischen Auflagen gebaut werden darf. Aus ästhetischen, sozialen oder ökologischen Gründen ist der Wunsch nach derartigen Regulierungen nachvollziehbar. Doch hat diese Politik auch ihren Preis. Sie führt dazu, dass das Angebot an Wohnungen nur eingeschränkt ausgeweitet werden kann. Nicht zuletzt erhöhen die vielen Bauvorschriften die Baukosten, was wiederum Preisdruck auf die Mieten ausübt. Hinzu kommt eine oftmals sehr träge Verwaltung, die den Bauunternehmungen Zeit kostet – und damit Preise weiter nach oben treibt.

Nicht zuletzt kreieren die Eingriffe des Staates Unsicherheit für Bauherren und Vermieter. Wer heute nicht weiß, inwieweit er sein Eigentum morgen noch nutzen kann, der wird vorsichtiger vorgehen. Auch das ist ein Grund gegen den Bau von Wohnungen wie auch gegen das Dasein als Vermieter.

Kurzfristiges Herumdoktern auf Kosten langfristiger Lösungen

In einem kürzlich erschienen Kommentar in der Zeit ist der Tenor, dass das freie Unternehmertum kurzfristig keine Abhilfe bieten kann. Es würde so oder so zu wenig gebaut, und Preisentlastungen könne nur ein staatlicher Eingriff bieten. Ja, Mietendeckel können Bestandsmieter für den Moment entlasten. Aber die kurzfristige Entlastung für eine Interessengruppe geht auch kurzfristig zu Lasten anderer: der Wohnungssuchenden wie auch der Vermieter.

Der in der Zeit verbreitete Vorschlag ist damit nicht nachhaltig: Die langfristigen Kosten überschatten die kurzfristigen Maßnahmen – von diskriminierenden Mietendeckeln über blauäugige Bauregulierungen bis hin zu verzögerten oder gar ausbleibenden Flächenvergaben. Sie verhindern die notwendige Ausweitung des Angebots – sie blockieren, dass findige Unternehmer die Nachfrage bedienen dürfen. Sie verhindern die Anpassung des Angebots und somit eine langfristige Erholung der Situation.

Schon etwas sinnvoller ist der sogenannte soziale Wohnungsbau. Aber auch dieser krankt an den klassischen Problemen: der Staat ist zumeist ein schlechter, weil ineffizienter Bauherr. Man erinnere sich beispielsweise kurz an den Berliner Flughafen. Die Schuld für die Probleme des staatlichen Bauens tragen hierbei weniger die beteiligten Akteure, sondern mehr die darüberliegende Systematik: Staatsbedienstete haben weniger Anreize als im Wettbewerb stehende Unternehmen, effizient und kostengünstig zu bauen.

Wer beim deutschen Wohnungsmarkt immer nur kurzfristig handelt, der wird nie aus der Negativspirale hinausgelangen. Im Gegenteil: das kurzfristige Herumdoktern mit diversen Regulierungen macht die Situation in der langen Frist nur noch schlimmer. Auch wenn es, vor allem politisch, schmerzhaft ist: Notwendig ist eine Radikalkur auf dem Wohnungsmarkt – die komplette Abkehr von Preiseingriffen und die Entschlackung des bürokratischen Prozesses verbunden mit einer weitgehenden Entregulierung des Bauens. Soziale Verteilungsziele sollten über Transfers an bedürftige Haushalte in Angriff genommen werden.

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