Der vorliegende Beitrag ist ein Ausschnitt aus unserem kürzlich erschienen Booklet Inflation Verstehen. Das Booklet ist als kostenloser Download hier frei verfügbar.
Der Begriff Inflation begegnet uns häufig. Wer dieses Wort, das lateinischen Ursprungs ist, noch nicht in der Schule kennengelernt hat, der wird spätestens jetzt, im Frühjahr 2023, wissen, dass es Inflation gibt und dass es ein wichtiges Phänomen ist. Aber was genau damit gemeint ist, ist eine andere Frage. Die Antwort auf diese Frage ist komplizierter, da sich die Bedeutung des Begriffes über einen großen Zeitraum gewandelt hat. Manche verwenden noch die alte Bedeutung, während andere lediglich den neuen Sprachgebrauch kennen und nutzen.
Das lateinische inflare bedeutet aufblähen. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird das Wort inflationär heute auch oft verwendet. Man nutzt es beispielsweise dann, wenn es um Begriffe geht, die in letzter Zeit häufig benutzt wurden. Man sagt dann etwa: „Zurzeit wird das Wort Inflation inflationär verwendet“. Es geht also bei Inflation darum, dass ein Phänomen vermehrt auftritt, sich steigert, es von etwas mehr gibt. Aber das bedeutet auch, dass man, wie der Ökonom Fritz Machlup nicht müde wurde zu betonen, bei Inflation immer die Frage stellen muss: Inflation wovon?
Diese Frage ist entscheidend, gerade auch angesichts der Bedeutungsverschiebung des Inflationsbegriffs. In dieser Hinsicht ist es sehr wichtig, zwei Bedeutungen zu unterscheiden, um das Phänomen Inflation besser verstehen zu können.
In der Wirtschaftswissenschaft ist der Begriff Inflation heutzutage eindeutig definiert, und auch im öffentlichen Sprachgebrauch wird er meist, wenn auch nicht immer, in dieser Hinsicht verwendet: unter Inflation versteht man einen (beliebig großen) Anstieg des allgemeinen Preisniveaus – es gibt also Preisinflation. Das ist der moderne Inflationsbegriff. Um Missverständnisse zu vermeiden, werden wir hier aber stets von Preisinflation sprechen. Genau eine solche Preisinflation erlebten wir im Jahr 2022. Um diese zu messen, gibt es sogenannte Verbraucherpreisindizes. Das sind meist Warenkörbe, die ungefähr dem entsprechen, was ein durchschnittlicher Verbraucher konsumiert. Die Preise für die einzelnen Güter aus dem Warenkorb werden dann mit den Preisen im Vorjahresmonat verglichen. So lässt sich feststellen, ob es Inflation im Sinne der Preissteigerung gibt. Es kann nämlich auch Preisdeflation auftreten. Das heißt, die Preise sinken.
Auf der anderen Seite steht der ursprüngliche, alte Inflationsbegriff. Dieser definierte Inflation als die Erhöhung des Geldangebots bzw. der Geldmenge, also als ein Aufblähen der Geldmenge. Das werden wir hier als Geldinflation oder monetäre Inflation bezeichnen. Geld ist ja ein allgemein genutztes Tauschmittel. Die Geldmenge wird aufgebläht, wenn mehr von diesem Geld geschaffen wird. Ein klassisches Beispiel für Geldinflation ist daher das Drucken von Banknoten, sei es legal oder illegal, welches die Geldmenge erhöht. Gelddeflation tritt dann auf, wenn die Geldmenge verkleinert wird.
Heute erleben wir Preisinflation: die Preise steigen. Konsumenten müssen höhere Preise für die Güter bezahlen, die sie erwerben wollen. Aber dieser Inflation ging eine Geldinflation voraus. Denn viele Zentralbanken, allen voran die Federal Reserve und die Europäische Zentralbank, haben Geldinflation betrieben. Sie haben die Geldmenge exzessiv erhöht.
Es ist aber sehr wichtig, diese Preisinflation von Geldinflation zu unterscheiden. Denn Preisinflation ist eine oft zu beobachtende, aber nicht notwendige Folge von Geldinflation. Das heißt, es kann die Geldmenge erhöht werden, ohne dass es zu höheren Preisen kommt – z. B. weil die Volkswirtschaft produktiver geworden ist oder das neu geschaffene Geld nicht in die Wirtschaft gelangt. Wenn es also mal keine Preisinflation gibt, kann es trotzdem der Fall sein, dass es eine Geldinflation gegeben hat. Und diese Geldinflation kann dazu führen, dass weniger offensichtliche (wie eine Preisinflation), aber dennoch relevante Effekte auftreten.
Während Geldinflation also zu Preisinflation führen kann, gibt es auch andere Gründe für Preisinflation. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es zu Angebotsschocks kommt.
Durch die derzeitigen Krisen, zuerst die Corona-Pandemie inklusive Lockdowns und dann durch den Krieg in der Ukraine, ist es für die Unternehmer überall auf der Welt schwieriger geworden, ihre Produktion aufrechtzuerhalten. Daher gibt es ein geringeres Angebot. Wenn dieses aber weiterhin einer gleich hohen Geldmenge bzw. Nachfrage gegenübersteht, sind Preissteigerungen zu erwarten. Ein klassischer Fall von Knappheit. Alternativ kann Preisinflation auch dann entstehen, wenn das Geld in einer Volkswirtschaft öfter getauscht wird. Dann ist die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes erhöht.