Monatsempfehlungen der Redaktion – Dezember 2024

von Redaktion

In dieser Rubrik stellt die Redaktion des Freydenkers einmal im Monat Empfehlungen aus Literatur, Journalismus, Wissenschaft und Co. vor. Dabei kann es sich um Podcasts, Klassiker, Beiträge auf Substack, wissenschaftliche Artikel und vieles mehr handeln.

Empfehlung von Vincent Czyrnik

Erinnert ihr euch an Mario Draghi? Als ehemaliger Chef der Europäischen Zentralbank sorgte er für eine Epoche der Niedrigzinspolitik und den verfassungswidrigen Käufen von Staatsanleihen. 

Vor kurzem verfasste Draghi ein Policy-Papier über die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in der EU. Er fordert mehr Geld vom Staat für die Tech-Branche sowie gezielte Förderungen für (von Politikern ausgewählte) Technologien. Alles in allem: Industriepolitik, also mehr vom Alten.

Eine Antwort darauf verfasste nun der renommierte MIT-Wissenschaftler Andrew McAfee. Er zeigt auf, dass die Europäische Union den Tech-Sektor bereits jetzt stärker subventioniert als die USA – und letztere dennoch erfolgreicher in Tech, KI & Co. sind. Stattdessen schlägt McAfee eine Entbürokratisierung des Datenschutzes und des Arbeitsmarktes vor, damit die EU ihre Wettbewerbsfähigkeit im Tech-Sektor verbessern kann. 

Andrew McAfee, The Geek Way: European Competitiveness, and How Not to Fix It

Empfehlung von Stefan Kosak

Der amerikanische Philosoph Matthew Crawford untersucht in seinem Buch Die Wiedergewinnung des Wirklichen: Eine Philosophie des Ichs im Zeitalter der Zerstreuung das allgegenwärtige Problem mangelnder Aufmerksamkeit, das er als Symptom der digitalen Gesellschaft deutet.

Crawford sieht den Aufmerksamkeitsmangel unter anderem darin, dass viele Menschen zunehmend anspruchslosen Angeboten der Unterhaltungsindustrie verfallen, wie etwa simplen Handyspielen, die passiven Konsum statt aktiven Einsatz fördern. Diese Tendenz führt seiner Ansicht nach zu negativen Folgen wie einer geringeren Frustrationstoleranz und eingeschränkten sozialen Kompetenzen.

Besondere Brisanz erhält Crawfords Analyse durch seine Kritik an der Unterhaltungsindustrie, die sich immer raffinierterer psychologischer Mechanismen bedient, um ihre Produkte unwiderstehlich zu machen. Gleichzeitig sieht er eine tiefere Ursache in der verbreiteten philosophischen Strömung, die objektive Gegebenheiten und kulturelle Werte als bloße Konstruktionen abtut. Wenn aber der Glaube an die unabhängige Bedeutung dieser Dinge verloren geht, schwächt dies letztlich die Bereitschaft, sich auf die anspruchsvolle Auseinandersetzung mit ihnen einzulassen, so Crawford.

Obwohl Crawfords Buch bereits 2015 veröffentlicht wurde, bleibt es hochaktuell. Es liefert wertvolle Denkanstöße für alle, die die Dynamiken der digitalen Gesellschaft besser verstehen und kritisch hinterfragen möchten.

Matthew B. Crawford (2016): Die Wiedergewinnung des Wirklichen: Eine Philosophie des Ichs im Zeitalter der Zerstreuung. Ullstein. ISBN: 978-3550081194 

Empfehlung von Max Molden

Der Nachbar fährt einen imposanten Mercedes G-Klasse, die umwerfende Kommilitonin, der alle Männerherzen zufliegen, kommt nach den Weihnachtsferien mit dem teuersten Macbook Pro an die Uni und dieser eine Kollege hat schon wieder ein lukratives neues Projekt an Land gezogen. Da kommt schnell Neid auf.

Aber wir sprechen nicht über Neid. Wir schämen uns, neidisch zu sein. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – ist Neid sehr mächtig. Das zeigt der Soziologe Helmut Schoeck in Der Neid und die Gesellschaft, das in erster Fassung bereits 1966 erschien.

Schoeck stellt zwei zentrale Thesen zum Neid auf. Zum einen macht er deutlich, dass Neid eine Konstante im menschlichen Leben ist. Neid hat es zu allen Zeiten gegeben. Rousseaus These vom edlen Wilden ist mehr als falsch. In diesen Gemeinschaften ist der Neid meist so ausgeprägt, dass Innovationen – Verbesserungen des Lebens – sozial geächtet sind und Fortschritt kaum oder gar nicht möglich ist. Gleichzeitig sei es einigen Gesellschaften gelungen, den Neid einzudämmen. Und so schreibt Schoeck: “die Geschichte der Zivilisation, also, ist das Ergebnis unzähliger Niederlagen des Neides, d. h. der Neider” (S. 15). Und das hängt eng mit Schoecks zweiter zentraler Botschaft zusammen, dass nämlich Neid der Ausgangspunkt vieler Sozialpolitiken ist und seine Wirkung viel zerstörerischer, als ihre Verfechter es wahrhaben wollen. Und das ist natürlich auch heute noch brandaktuell.

Besonders einleuchtend ist Schoecks Ausarbeitung der Subjektivität des Neides: Es sind nicht objektive Umstände, die jemanden neidisch machen, sondern nur subjektiv wahrgenommene. (Auch das hat große Implikationen für jede Sozialpolitik). Spannend ist auch der Vergleich zwischen modernen Gesellschaften und Stammesgemeinschaften. Schoeck schreibt in seiner unverblümten Art:

Der Glaube an schwarze Magie beim Naturvolk unterscheidet sich nur wenig von modernen Vorstellungen. Während sich der Sozialist seit über hundert Jahren durch den Unternehmer, seit 1950 der Entwicklungsland-Politiker durch die Industrieländer beraubt glaubt mittels einer abstrusen Theorie des wirtschaftlichen Prozesses, hält sich der Primitive vom Nachbarn für beraubt, weil dieser mit Hilfe der schwarzen Magie einen Teil seines Ernteertrags auf die eigenen Felder zu zaubern vermochte. (S. 98)

Helmut Schoeck (1992): Der Neid und die Gesellschaft. Ullstein. ISBN: 3-548-34403-8 .

Empfehlung von Juan D. Estevez

Alex Epsteins Fossil Future bietet neue Perspektiven und wertvolle Denkanstöße für die laufende Diskussion über fossile Brennstoffe und deren Rolle in der heutigen Welt. In seinem zweiten Buch tritt Epstein mit einer klaren und scharfsinnigen Argumentation gegen die gängige Meinung an, dass der schnelle Ausstieg aus fossilen Brennstoffen der einzig richtige Weg sei.

Epstein fordert uns auf, die Diskussion nicht nur aus einer ökologischen, sondern auch aus einer praktischen und moralischen Perspektive zu führen. Er hebt hervor, dass fossile Brennstoffe in der heutigen Welt unverzichtbar sind, da sie nicht nur den Großteil der weltweiten Energieversorgung sichern, sondern auch die Lebensqualität von Milliarden von Menschen weltweit verbessern. Er erklärt, warum die schnellen und radikalen Schritte hin zu alternativen Energiequellen wie Solar- und Windkraft, die oft als die Lösung schlechthin propagiert werden, viele unbeachtete Risiken und potenziell katastrophale Folgen nach sich ziehen könnten.

Besonders überzeugend ist Epsteins Fähigkeit, das komplexe Thema auf eine für den Leser zugängliche Weise zu präsentieren, ohne sich in technischen Details zu verlieren. Dabei verdeutlicht er, dass die derzeitige “Expertensicht” auf den Klimawandel und die Energiewende oft verzerrt ist und das tatsächliche Bild nicht widerspiegelt. Anstatt nur die Risiken fossiler Brennstoffe zu fokussieren, fordert er uns auf, auch die enormen Vorteile dieser Energiequelle zu betrachten und zu erkennen, dass der Übergang zu grüneren Energieformen keinesfalls ohne bedeutende Nachteile vonstattengehen kann.

Fossil Future ist damit eine äußerst relevante Lektüre für alle, die sich mit den langfristigen Auswirkungen der Energiewende auseinandersetzen möchten. Epstein gibt dem Leser die Werkzeuge an die Hand, um die Diskussion über fossile Brennstoffe differenziert und informierter zu führen. Wer in der aktuellen Debatte eine kritische, gut fundierte Stimme sucht, wird in diesem Buch fündig. Es regt an, die Annahmen über die Rolle fossiler Brennstoffe zu hinterfragen und eine ausgewogenere Sichtweise zu entwickeln.

Alex Epstein (2022): Fossil Future: Why Global Human Flourishing Requires more Oil, Coal, and Natural Gas – Not Less. Portfolio. ISBN-10: ‎ 0593420411 . ISBN-13: ‎ 978-0593420416

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