Was wir aus einem Kinderfilm über Interventionismus lernen können

von Kai Weiß

Normalerweise hasse ich ja Filme. Es gibt kaum etwas mit dem ich meinen Abend weniger gern verbringen würde als mir einen zwei bis drei Stunden langen Film anzuschauen, der sich meistens ohnehin als eine schreckliche Zeitverschwendung herausstellt. Trotzdem gibt es einige wenige Filme, die ich mir immer wieder gerne anschaue. Einer dieser Filme ist Cars. Genau, das Cars – der Pixar-Film, in dem es keine Menschen gibt und stattdessen Autos unseren Platz einnehmen.
Es gibt viele Gründe, warum ich diesen Film so mag, auch wenn er zunächst wie eine seltsame Wahl für jemanden, der von sich (zumindest meistens) als Erwachsener denkt, wirken mag. Sicher ist ein Grund der, das ich eben damit aufgewachsen bin. Zusätzlich liebe ich den amerikanischen Westen. Auch wenn ich immer mehr den Cowboy mimte, statt einer zu sein, sehe ich mir gerne alles mögliche von dieser Gegend und der Kultur an. Und hey, es geht um Autos!
Aber weitaus wichtiger ist die sträflich unterschätzte Geschichte von Cars. In der Tat stellt dieser Film, obwohl er eigentlich für Kinder gedacht ist, ein Statement für die Freiheit, freie Wahl und lokale Gemeinschaften dar. Tatsächlich könnte er uns mehr bei unseren heutigen Problemen wie unserem verlorengegangenen Zugehörigkeitsgefühl und der Identitätssuche in dieser sich ständig verändernden Welt helfen, als wir zunächst zugeben wollen.
Die Geschichte
Bevor wir uns darin vertiefen, befassen wir uns erst einmal kurz damit, was in dieser fiktiven, von Autos beherrschten Welt vor sich geht (auch wenn man auf Spoiler vorbereit sein sollte – kein Wortspiel beabsichtigst). Im Mittelpunkt der Geschichte steht Lightning McQueen, ein Rennwagen, der kurz davor ist, den Piston Cup, den prestigeträchtigsten Wettbewerb des Landes, zu gewinnen. McQueen, geblendet von seinem neuerlangten Ruhm, ist arrogant und unhöflich, was zunehmend klarer wird als er auf dem Weg zum letzten Rennen des Cups verloren geht.
Als er sich verirrt, landet er ungewollterweise in Radiator Springs, einer Kleinstadt an der ikonischen Route 66, wo er für ein paar Tage festsitzt – ein für Lightning unerträgliches Verdammnis. Seiner Meinung nach hat dieses temporäre Gefängnis nichts zu bieten. Die Stadt ist, abgesehen von den paar verbleibenden Bewohnern, komplett verlassen, die Gebäude sind heruntergekommen und der Ort wirkt einfach nur langweilig. Was tun die ganzen Leute eigentlich den ganzen Tag in ihren Hinterwäldlerleben? Sie haben noch nicht einmal von ihm, Lightning McQueen, den berühmten Rennwagen, gehört.
Trotzdem beginnt McQueen im Zuge seines Aufenthalts, sich langsam mit der Stadt im alten Westen Amerikas anzufreunden. Nicht nur verliebt er sich in den Porsche Sally (wer würde das nicht?), er erkennt auch zum ersten Mal in seinem Leben was es heißt, an einem Ort zu sein, der ihm etwas bedeutet – mit Leuten, die er mag und auch wirklich kennt.
Wie er in einer der bittersüßesten Szenen des Films herausfindet, war Radiator Springs nicht immer so trostlos wie es heute ist. Tatsächlich war es einmal eine blühende Stadt an der Route 66, bevor die I-40 gebaut wurde. Die Interstate machte die Route 66 für Reisende überflüssig, wodurch mit der Zeit immer weniger Leute in die Stadt kamen. Geschäfte schlossen, Leute zogen fort. Diejenigen die zurückblieben, hatten eine grimme Zukunft vor sich.
McQueen kommt schließlich zum letzten Rennen des Piston Cups, aber er hat vieles, über das er Nachdenken muss. Letztendlich, dem Charme der Kleinstadt und der umliegenden Gegend verfallen, kehrt er nach Radiator Springs zurück und bringt sein Rennteam – und durch seine Popularität auch Besucher und neue Geschäfte – mit sich. Endlich erblüht Radiator Springs wieder.
Der Staat tötete Radiator Springs
Der freiheitliche Ansatzpunkt in dieser Geschichte ist recht offensichtlich: Radiator Springs wurde nur aufgrund der Regierung von so vielen Leuten verlassen. Immerhin wurde das Interstate System, das sich heute über die gesamten Vereinigten Staaten erstreckt, von der Eisenhower Regierung etabliert. Mit dem Federal Aid Highway Act  (1956) – dem bis dahin größten öffentlichen Bauprojekt in der amerikanischen Geschichte – wurden neue, sich von den alten grundlegend unterscheidende, Straßen gebaut: während Highways beispielsweise von einer Ortschaft zur nächsten führten, umgingen die neuen Interstates diese schlicht und einfach.
Oder, wie der Porsche Sally im Film sagt: „Der Highway durchschnitt das Land nicht so wie die Interstate. Es bewegte sich mit dem Land. Autos fuhren nicht auf dem Highway, um Zeit zu sparen, sondern um viel schöne Zeit darauf zu verbringen.“ Und während die Interstates natürlich die Fahrtzeit von Fernfahrern verkürzte, zerstörten sie doch auch die kleinen Gemeinden links und rechts, da diese keine Reisenden mehr anlockten.
Es ist ein besonders makabres Beispiel von Social Engineering, bei dem Städte, Gemeinden und Lebensgrundlagen vieler Menschen durch ein Fingerschnippen der Regierung zerstört wurden. Es ist ein Beispiel, bei dem die Regierung von oben herab ein System einführte, welches die Art verändern sollte, wie die Menschen die Welt erlebten.
Wie Sally es beschrieb, wurden Highways (die natürlich auch ihre Schwächen haben) mit Rücksicht auf ihre Umgebung gebaut – man könnte sagen, sie waren in die allgemeine soziale Ordnung, die sich mit der Zeit entwickelt hatte, eingepasst. Die Straßen wurden mit dem lokalen Wissen gebaut. Die Interstates wurden mit nichts dergleichen gebaut. Sie durchbrachen und zerstörten das lange vor ihnen gebildete soziale Gewebe.
Trotzdem erkennt Lightning auf seiner Resie durch den Westen, dass es immer noch gute Dinge in Radiator Springs gibt. Und so flieht er abrupt aus seinem alten Leben, und wählt einen Pfad, den jeder außerhalb von Radiator Springs als unklug bezeichnen würde. Statt seinem einsamen Ruhm von vorher wählt er die warme Gesellschaft dieser kleinen Ortschaft, wo er sich zugehörig fühlt, und die er, genauso wie die anderen Einwohner von Radiator Springs, wahrhaft sein Zuhause nennen kann.
Ist all das übertrieben romantisch? Vielleicht. Cars ist schlussendlich immer noch ein Kinderfilm. Er zeigt aber dennoch, welche schädlichen Auswirkungen die Politik auf Gemeinden haben kann und wie der Staat oft darin verwickelt ist, soziale Missstände zu verursachen, anstatt sie zu beseitigen. Und in Verbindung mit den heutigen Krisen von verlorener Identität, weitverbreiteter Einsamkeit und Isolation, gepaart mit der Erosion sozialen Kapitals, zeigt Cars mit dem letztendlichen Triumph von Radiator Springs, wie lokale Gemeinschaften in einem bottom-up Prozess revitalisiert werden können, ohne dass dies von angeblich wohlmeinenden Politikern versucht wird zu erzwingen.
 
Der Artikel erschien zuerst unter dem Titel Lightning McQueen and the Brutal Effects of Government Interventions bei SpeakFreely, dem Blog der European Students For Liberty.
 
Dieser Artikel spiegelt die Meinung des Autors, nicht der Organisation wieder. Dieser Blog bietet die Plattform für unterschiedliche liberale Ideen. Mehr zur Organisation auf www.studentsforliberty.de

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