Stirbt der Vater, die Mutter, die Tante oder der Onkel, dann kommt es zum Erbe. In Deutschland gibt es die Erbschaftssteuer. Hiernach muss der Erbende eine Steuer zahlen, je nach Höhe des Erbes. Das wird häufig mit Gerechtigkeit motiviert: wieso sollte es gerecht sein, an Vermögen zu gelangen, nur weil man das Glück hatte, einen wohlhabenden Elternteil zu haben? Der Kern der Kritik am Erben ist, dass der Erbende leistungslos Vermögen erhält – ungerecht!
Diese Gerechtigkeitsfrage ist hochkomplex. Mit schelmischem Grinsen könnte man nämlich genauso gut fragen, wieso es gerecht ist, dass die Menschen für Fußball so viel Geld ausgeben, weswegen der begnadete Ballstreichler reich wird? Und wieso sollte es gerecht sein, dass die eine ein großartiges Auskommen erlangt nur weil sie über ihre Mutter einige wohlhabende Entrepreneure kennt, die ihr bei der Karriereplanung unter die Arme greifen? Oder warum sollte es gerecht sein, dass eine Entrepreneurin mit ihrem Unternehmen Millionen scheffelt, nur weil sie eine sehr gute Idee hatte, welches Produkt Konsumenten gerne haben möchten?
Aber abseits dieser interessanten Betrachtungen, die möglicherweise in einen strikten Egalitarismus münden müssen, wenn konsistent zu Ende gedacht, steht eine völlig andere. Denn selbst wenn sich alle in der Gesellschaft einig sind, dass Erben ungerecht ist, folgt daraus nicht, dass der Staat Erbschaftssteuern erheben sollte. Zwei Aspekte sind hier relevant.
Ungerechtes Erben – Gut für die Ärmsten?
Erstens kann es zwar ungerecht sein, dass die Erbin unverdientermaßen an Reichtum kommt. Nichtsdestotrotz kann dies aber für die Gesellschaft im Gesamten (vor allem langfristig) positiv sein. Denn die Erbin ist möglicherweise diejenige, die das Vermögen am besten einsetzen wird. Die Bürokratie, im Gegensatz, ist davon geplagt, dass das Prinzip von Profit und Verlust hier nicht vorherrscht. Auch ist der politische Prozess verwundbar für Partikularinteressen – vor allem der Wohlhabenden. Zudem ist fraglich, welche Anreize eine Erbschaftssteuer setzt. Insgesamt, so könnte eine politisch-ökonomische Betrachtung nahelegen, wäre es für den Wohlstand einer Gesellschaft – und insbesondere für die Ärmsten – langfristig am besten, die Institution des Privateigentums rigoros zu schützen und daher keine Erbschafts- oder gar Vermögenssteuer zu erheben. Es ist eben eine politisch-ökonomische, wissenschaftliche Frage, ob Erbschaftssteuern gut oder schlecht sind.
Wenn Erben Ungerecht Ist, Dann Sollte Niemand Erben!
Zweitens folgt aus der Ungerechtigkeit des Erbens nicht, dass der Staat das Erbe (teilweise) an sich reißen sollte. Ungerecht ist das Erbe, weil die Tochter Vermögen erhält, ohne etwas dafür geleistet zu haben! Würde dieses Erbe nun an andere Bürger verteilt werden, wäre dies aber genauso ungerecht. Denn die anderen Bürger haben ja ebenfalls nichts geleistet, was ihr ‚Erben‘ rechtfertigen würde. Folgt man der Logik, dass Erben ungerecht ist, weil diesem keine Leistung gegenübersteht, dann steht keinem das Erbe zu. Sollte man das Vermögen dann zerstören?
Aus dieser Perspektive betrachtet führt das Problem des Erbens in eine Sackgasse: niemand hat das Vermögen des Privatiers verdient. Keiner hat etwas dafür geleistet. Aus Gerechtigkeitsgründen steht dieses Vermögen also niemandem zu. Nur der Privatier, der nun aber tot ist, hatte ein Recht auf das Vermögen.
Aber wir können aus diesen Erörterungen auch eine andere Folgerung ziehen: befinden die Bürger einer Gesellschaft das Erben für ungerecht und wollen es deswegen (zumindest teilweise) verbieten, so folgt nicht, dass der Staat (oder die anderen Bürger) das Erbe erhalten sollte. Nein! Es wäre ausreichend, dass der Tote sein Vermögen nur anteilig (oder eben gar nicht) seinen Nachfahren oder Freunden vermachen darf. Statt einer Erbschaftssteuer könnte man dann verfügen, dass an Stiftungen oder ähnliche Einrichtungen gespendet werden muss. Dass irgendjemand leistungslos etwas erhält, lässt sich leider (oder zum Glück?) kaum vermeiden.