Jill Nussbaumer setzt sich als Vizepräsidentin der Jungfreisinnigen Schweiz für Freiheit, Fortschritt und Diversität ein. Beruflich ist sie im Bereich Unternehmertum und Crypto unterwegs.
Was heißt Freiheit für Sie?
Freiheit heisst, sich als Individuum entfalten und ausdrücken zu dürfen, frei von gesellschaftlichem oder staatlichem Zwang. Als Rahmenbedingung muss das Recht auf Leben und Eigentum jedem Einzelnen gewährleistet sein. Entgegen einer kollektivistischen Gesellschaft wird das Leben in Freiheit nicht durch eine zentrale Instanz gesteuert, sondern entwickelt sich auf individueller Ebene im Zusammenspiel der unterschiedlichen Bedürfnisse und Präferenzen der Individuen.
Welches Buch (oder Bücher) haben Sie bisher am meisten verschenkt? Oder, welche ein bis drei Bücher hatten den größten Einfluss auf Ihr Leben?
„1984 – George Orwell“ ist ein gutes Geschenk für jede Person. Die Orwellsche Dystopie zeigt dem Leser schmerzhaft auf, wie ein totalitärer Überwachungsstaat die freie Gesellschaft und den Wohlstand ruiniert.
Wo sind für Sie die Grenzen der Freiheit? Wann muss Freiheit eingeschränkt werden?
Es gibt dazu wohl keine treffendere Antwort als die Aussage von Immanuel Kant: „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt.“
Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Freiheit in den letzten 100 Jahren?
Das föderalistische System der Schweiz erlaubt den Kantonen in steuerlichen, finanziellen und politischen Belangen einen grossen Handlungsspielraum. Entstanden bei der Gründung des Bundesstaates 1848, blieb die kantonale Souveränität ein wichtiger Eckpfeiler des Liberalismus, der auch in den letzten 100 Jahren weiterhin als Pförtner der Freiheit gedient hat. Der Pluralismus gibt jedem die Freiheit, selbst auszusuchen, welcher Kanton die besten Rahmenbedingungen für eine Geschäftsgründung bringt oder als Wohnort am besten passt.
Genau vor 50 Jahren wurde in der Schweiz das Frauenstimmrecht eingeführt, wobei der letzte Kanton dies erst vor 31 Jahren umgesetzt hat. Dies illustriert den bereits erwähnten Föderalismus. In der Schweiz wurde 1988 das Patriarchat im Eherecht abgeschafft. Das bedeutet, dass jede verheiratete Frau eigenständig über ihre privaten, beruflichen und finanziellen Belange bestimmen kann. Auch stimmen wir dieses Jahr über die Ehe für Alle ab, was mir neu erlauben würde, meine Partnerin zu heiraten. Vielleicht entwickelt sich daraus noch ein liberaleres System, wie beispielsweise die Verantwortungsgemeinschaft. Somit sehe ich die Entwicklung der persönlichen Entscheidungsfreiheit und Chancengleichheit als durchaus positiv.
Einen schweren Stand hat die unternehmerische Freiheit. Diskussionen über Quoten, Forderungen nach mehr Rechenschaftspflichten und Vorschriften zur Lohngestaltung zielen darauf ab, dass der Staat in Unternehmen ein grösseres Mitspracherecht bekommt, ohne dabei das unternehmerische Risiko mitzutragen. Glücklicherweise konnten viele Einschränkungen abgewandt werden. Trotzdem stehen vermehrt Quoten, Verbote und Vorschriften der Innovation und der freien unternehmerischen Entfaltung im Weg.
Wenn Sie eine riesige Botschaft am Matterhorn platzieren könnten, was würde darauf stehen und warum?
Kommunismus hat noch nie funktioniert
Communisme n’a jamais marché
Die Ausweitung der Staatsquote ist das linke Allheilmittel für jedes Problem. Abgaben und Steuern sollen das Klima retten, unser Vorsorgesystem soll mit erhöhter Mehrwertsteuer saniert werden und fehlende Betreuungsangebote vom Staat angeboten werden. Zur Finanzierung wird alles, was sich bewegt, besteuert.
Deshalb würde ich das Matterhorn mit einer freundlichen Erinnerung schmücken: Eine steigende Staatsquote führt erst zum Sozialismus und dann zum Kommunismus, welcher noch nie funktioniert hat. Alternative Wege aus Krisen gäbe es zur Genüge. Für nachhaltige Lösungen müssen wir die Klimapolitik liberalisieren, das Vorsorgesystem entpolitisieren und Betreuungsangebote deregulieren.
Lieber eine freie, aber arme Gesellschaft oder eine prosperierende Diktatur?
Ganz klar Ersteres. Wie der Freydenker in seinem Leitsatz sagt: In dubio pro libertate