Liebe Leser,
sicherlich haben die meisten von Euch in Verbindung mit den historischen Ereignissen vor dem Beginn des 2. Weltkrieges bereits von Appeasement-Politik gehört – und ihrem Scheitern.
Um genau zu sein denken wir bei Appeasement an den britischen Premier Neville Chamberlain, der überzeugt war, er könne mit Zugeständnissen an Hitler den Krieg mit Nazideutschland verhindern.
Wie ein Blick in die Geschichte aber damals schon hätte zeigen können, hinderte die Chamberlain’sche Appeasement-Politik die Nazis mitnichten daran, ihre Nachbarn zu überfallen. Stattdessen ermutigte sie Hitler, noch entschiedener und aggressiver gegenüber Europa aufzutreten.
Und so hat Churchill dem Scheitern der Appeasement-Politik in seinen an Chamberlain gerichteten Worten Ausdruck verliehen: “Sie hatten die Wahl zwischen Krieg und Schande. Sie wählten die Schande. Und den Krieg werden sie jetzt auch noch bekommen.”
Interessanterweise erinnere ich mich an mein Heimatland Venezuela, wenn ich an Appeasement denke. Denn wir haben in 2013 ähnliche Dynamiken erlebt .
Damals hatten wir unsere letzte Wahl des Präsidenten. Diese war zwischen dem Regierungskandidaten Nicolas Maduro und dem Führer der Opposition Henrique Capriles.
Maduro war mit dem Ziel angetreten, das Erbe von Hugo Chavez fortzuführen, der einige Monate zuvor verstorben war. Capriles stand dagegen für Wandel. Wandel in einem Land, das ermüdet war von grenzenloser Korruption, harten Auseinandersetzungen und sozialistischer Politik.
Aus dem Grund wurde viel mobilisiert, um Capriles zum Wahlsieg zu verhelfen. Damals war ich 16 Jahr alt, und ich erinnere mich noch heute, wie jeder in meiner Umgebung sein Bestes gab. Und ich erinnere mich an die Wahlkampfkundgebungen von Capriles, die von Tausenden von Menschen besucht wurden.
Ich erinnere mich an den Optimismus, den viele Menschen versprühten, als sie sich am Wahltag zur Wahlurne begaben. Hoffnung spiegelte sich auf ihren Gesichtern. Es war ein wahrlich besonderer, historischer Moment in der Geschichte meines Landes.
Aber als die offensichtlich politisierte venezolanische Wahlkommission den Sieger bekannt gab, erfüllten sich unsere schlimmsten Befürchtungen. Die Kommission behauptete, Maduro hätte die Wahl gewonnen. Im Widerspruch mit allen Umfragen und allen anderen Anzeichen.
Schockiert von der Entscheidung, forderte die Opposition eine Neuauszählung. Sie tat das angesichts des Umstandes, dass die Opposition einigen Berichten zufolge die Wahl in Wahrheit mit einer Million Stimmen Vorsprung gewonnen hatte. Die Wahlkommission lehnte die Anfrage ab – weder sei eine Neuauszählung möglich noch notwendig.
Daher entschied sich Capriles, das venezolanische Volk zu friedlichem Protest auf den Straßen aufzufordern, um die Regierung dazu zu bewegen, unseren Forderungen nachzukommen. Später versuchte Capriles auf internationaler Ebene, Aufmerksamkeit für die kritische Lage Venezuelas zu wecken.
Wie heute bekannt ist, wurden die Wahlen nicht überprüft. Und als Resultat dessen verschlimmerte sich die politische Situation, sodass Venezuela heute als eine der brutalsten Diktaturen gilt.
Stellt man sich die Frage, wieso die internationale Gemeinschaft damals in 2013 nicht eingriff, verweisen viele auf die Reaktionen zahlreicher Staatschef, die ungefähr Folgendes sagten:
“Wir wissen, dass das politische System in Venezuela undurchsichtig ist. Aber wir dürfen die Situation nicht verschlimmern. Die Opposition muss einfach weiterarbeiten, die Geschehnisse als einen moralischen Sieg verbuchen und für die nächste Möglichkeit bereit sein.”
Nun. Eine nächste Möglichkeit gab es nicht mehr. Jetzt, wo Millionen von Menschen im Exil leben und das Land mittlerweile in einer humanitären Krise versinkt, stellen sich zwei Fragen: Werden wir überhaupt jemals wieder eine Möglichkeit zur Veränderung haben? Und hat die Appeasement-Politik in Venezuela funktioniert?
Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch bei Libertatio. Er spiegelt die Meinung des Autors, nicht notwendigerweise jene der Organisation wider. Dieser Blog bietet die Plattform für unterschiedliche liberale Ideen. Du möchtest auch einen Artikel beisteuern? Schreib uns einfach eine Mail: redaktion@derfreydenker.de!
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