Alberto Mingardi ist ein italienischer Ökonom und Generaldirektor des Istituto Bruno Leoni. Mingardi ist Assistenzprofessor an der IULM Universität in Mailand. 2020 erschien sein Buch The Myth of the Entrepreneurial State (gemeinsam mit Deirdre McCloskey).
Wann haben Sie zum ersten Mal in Ihrem Leben den Wert von Freiheit erkannt?
Als ich 12 oder 13 Jahre alt war, habe ich Milton Friedmans Free to Choose gelesen, obwohl ich damals kaum etwas davon verstanden habe. Ich bin nördlich von Mailand, in der Region Brianza groß geworden, umgeben von angehenden Entrepreneuren und hart arbeitenden Menschen. Ich bin in den 1980ern und 1990ern aufgewachsen: eine Zeit, in der unternehmenslustige Kleinbürger noch gewillt waren, die Ärmel hochzukrempeln und so zu Wohlstand zu gelangen, und eine Zeit, in der die Menschen Globalisierung und Handel enthusiastisch begrüßten. Dass ich diese Leute und ihre Einstellung zu Sparsamkeit und Arbeit sehen konnte, hat mir, denke ich, die Verbindung zwischen Freiheit und wirtschaftlicher Besserung klargemacht.
Welches Buch hatte den größten Einfluss auf Ihr Leben?
Schwierige Wahl. Zum Libertären wurde ich durch David Friedmans The Machinery of Freedom. Das, was ich von Märkten verstehe, kommt von der Österreichischen Schule, Mises und Hayek. Bekannte und Freunde von mir, wie Anthony de Jasay und Kenneth Minogue, haben mir dabei geholfen, es in der Politik zu verwenden.
Und welcher Denker hatte den größten Einfluss auf Sie?
Da nenne ich einen italienischen Ökonomen, der leider außerhalb Italiens wenig bekannt ist, Sergio Ricossa.
Was ist Freiheit und wo liegen ihre Grenzen?
Freiheit ist die Abwesenheit von staatlicher Zwangsausübung in das Leben der Individuen. Wir sollten uns weniger Gedanken über die Grenzen der Freiheit machen, sondern über die Grenzen des Staates: die Grenzen derjenigen, die die Freiheit einschränken können.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Freiheit in den letzten Jahrzehnten? Was ist zurzeit ihre größte Bedrohung?
Es ist schwierig, Geschichte zu schreiben während man sie erlebt. Die Globalisierung hat die Freiheit vergrößert und es Millionen von Menschen ermöglicht, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen, denn der globale Handel hat den Menschen mehr ökonomische Möglichkeiten und auch mehr Rechte gegeben. Aber Meinungsfreiheit nimmt radikal ab im Westen und genauso die wirtschaftliche Freiheit in USA und Europa. Mit mehr Zentralbankzauberei und wilden Wirtschaftsinterventionen denn je. Meine größte Sorge derzeit ist der besorgniserregende Rückgang der Meinungsfreiheit. Hätte mir jemand vor 10 Jahren gesagt, dass das Grund zur Sorge bereiten würde, hätte ich ihn ausgelacht. Und doch: Political Correctness hat den Weg für die derzeitige Situation geebnet, in der Menschen, die andere Ansichten haben (bei ganz unterschiedlichen Themen: von Gender und Geschlechteridentitäten über Klimawandel bis hin zum Krieg zwischen Russland und der Ukraine), einfach ausgeschlossen werden, in einem bewussten Versuch sie nicht zur Sprache kommen zu lassen anstatt ihre Meinung zu hinterfragen oder sie zu überzeugen.
Die andere große Bedrohung der Freiheit ist Nationalismus. Die Überzeugung, nationale Unabhängigkeit sei “Freiheit”, ist der Weg zu Krieg und Elend.
Brauchen wir Freiheit in den nächsten Jahrzehnten?
Ich befürchte, die meisten Menschen würden mit Nein antworten. Manche tendieren zu der Überzeugung, dass Technologie uns von der Bürde der freien Entscheidung befreien wird. Andere glauben (und dieses Phänomen ist sehr gut im Westen zu beobachten), dass man nur dann frei seine Meinung äußern dürfen sollte, wenn die Ansichten mit denen übereinstimmen, die gerade vorherrschender Konsens sind. Der einzige Lichtblick ist, dass die Globalisierung zwar regelmäßig für tot gehalten wird, aber dennoch weiter besteht. Viele glauben, der Staat könne die Globalisierung einfach an- und ausschalten. Und mit Sicherheit können Regierungen viel gegen Märkte machen. Aber Märkte beruhen auf den Übereinkünften und Handlungen der Individuen, nicht darauf, was Politiker sagen.
Wenn Sie eine riesige Botschaft am Brandenburger Tor platzieren könnten, was würde darauf stehen und warum?
“Es ist ist nicht so einfach, wie du denkst.” Oder “Es gibt keine Lösungen, nur Trade-Offs.”
Was würden Sie einem jungen Menschen raten, der gerade ins Berufsleben eintritt? Welchen Rat sollte er ignorieren?
Versuch das zu machen, was dir Spaß macht. Aber sei dir bewusst, dass es viele Rückschläge geben wird und dass kein Lebensweg gerade verläuft. Hör’ auf deine Eltern: mit großer Wahrscheinlichkeit kennen sie dich besser als du dich.
Das Interview wurde auf Englisch geführt und von Max Molden ins Deutsche übersetzt.