Gesund und nachhaltig zu leben, muss vor allem einfach und machbar sein. Dann machen’s auch viele. Hingegen ständig Verzicht zu predigen, wird die Welt langfristig nicht retten, sondern eher verschlimmbessern.
Ich stelle immer wieder mit Verwunderung fest, wie viele Dinge sich Menschen vornehmen, und wie wenig sie dann schlussendlich davon tun. Einige lieben wohl die Anerkennung, die sie von anderen ernten, wenn sie großspurig über ihre Zukunftspläne erzählen: Ab nächster Woche mache ich mehr Sport, esse gesünder und kaufe nur noch Fairtrade-Produkte.
Doch die Umsetzung, die mit Schweiß und Fleiß verbunden ist, läuft eher schleppend voran. Sport ist anstrengend, gesund essen auch und Fairtrade-Produkte – besonders bei der aktuellen Inflation! – sind einfach zu teuer.
Psychologen sprechen vom „Attitude-Behavior-Gap“ – das, was wir sagen, und das, was wir wirklich tun, sind oftmals meilenweit voneinander entfernt. Die Gründe dafür sind naheliegend: Sport zu machen ist mitunter unangenehm, Schoki am Abend auf der Couch um Längen angenehmer. Und das nachhaltige T-Shirt ist teurer, und man sich statt zwei neuer T-Shirts dann nur noch eines leisten.
Trotzdem überschätzen wir, wenn wir darüber reden, was wir kurzfristig umsetzen können. Das ist auch der Grund, warum Menschen ehrlich von ihren großen Plänen erzählen, sie dann aber nicht umsetzen (können).
Radikaler Verzicht ist manchmal nicht nachhaltig
Ich lernte mal jemanden kennen, der kaum wie ein anderer über Abnehmen Bescheid wusste. Er hatte schon jede Diät ausprobiert, konnte mir über alle Vor- und Nachteile dieser Diäten berichten und auch welchen Sport man dazu treiben sollte. Der Mann, der all das wusste, wog 150 Kilo.
Tatsächlich scheitern 90 Prozent aller Diätversuche. Die Menschen kehren mittel- und langfristig auf ihr Ursprungsgewicht zurück. Einige wiegen sogar nach der Diät mehr als vor der Diät – der sogenannte Jojo-Effekt. All diese Menschen haben Schwierigkeiten, das „Attitude-Behavior-Gap“ langfristig zu überwinden. Ihrer Einstellung nach wollen sie abnehmen, schaffen es aber in ihren tatsächlichen Handlungen, wenn überhaupt, nur kurzfristig.
Analog dazu wollen sehr viele Menschen umweltbewusster leben: Sie wollen mit dem Fahrrad statt dem Auto zu ihren Terminen fahren, mehr Fairtrade-Produkte kaufen und seltener in den Urlaub fliegen. Wenn dann aber der Tag der Entscheidung naht und sie den Flug nach Thailand zum Supersparpreis entdecken, scheitern selbst Klima-Aktivisten, sich „nachhaltig“ zu verhalten.
Einige entwickeln anschließend eine „Scheiß-drauf“-Mentalität, nachdem sie den Verführungen des Lebens unterlegen sind. Je nach Themengebiet folgt Binge-Eating oder Binge-Reisen. Jetzt ist es eh schon zu spät, denken viele. Die einst so großen und wichtigen Ziele werden nun nicht mehr verfolgt.
Noch schlimmer wird es, wenn Freunde und Bekannte einem ungewollte Ratschläge geben. Es gilt als geschmacklos, Menschen ungefragt auf ihr Gewicht hinzuweisen. Teilweise ist das sogar kontraproduktiv: Menschen wenden sich von einem ab und es baut sich ein innerer Widerstand auf. „Jetzt erst recht nicht“ könnte dann das neue Credo heißen.
Ähnliches erleben wir in den Nachhaltigkeits-Debatten. Es bildet sich ein oppositioneller Flügel, der von den Belehrungen aller Art genervt ist. Die Folge sind populistische Parteien, die solch starke innere Dynamiken entwickeln, sodass einige Menschen immer schwieriger von der Politik und deren Nachhaltigkeitsbestrebungen abgeholt werden können.
Das richtige Ziel mit den falschen Mitteln
Ich kenne tatsächlich keinen Menschen auf der Welt, der ernsthaft dagegen ist, dass wir in einigen Aspekten unseres Lebens respektvoller mit der Natur umgehen sollten.
Am Stammtisch kann eine Parole für mehr Billigfleisch mal lustig klingen, auch per WhatsApp schicken sich Boomer gerne mal die einen oder anderen Memes mit Parolen wie „Ich esse doch nicht meinem Essen das Essen weg“.
Doch wenn dieser Mensch die Wahl hätte, ohne jeglichen Verzicht sozialere und ökologischere Lebensmittel, Kleidung und Autos wählen zu können – aus welchem Grund sollte er es dann nicht tun?
Sicherlich, einige verhalten sich wie trotzige Kinder. Aber warum? Sie glauben nicht daran, dass sie auf nichts verzichten müssen. Grund dafür ist die ständige Verzichtsrhetorik in der Öffentlichkeit. Wenn diese trotzigen Kinder aber wirklich spüren, dass sie auf nichts verzichten müssen – und im Gegenteil – sogar etwas Neues hinzugewinnen können, dann, so glaube ich, wird der Trotz aufhören.
Ein weiteres Problem entsteht, wenn Lösungen nicht mehr pragmatisch sein dürfen. Eine Ursache könnte darin liegen, dass einige Menschen schon so sehr die Verzichtsrhetorik inhaliert haben, dass sie nicht mehr glauben können, ohne extremen Verzicht ihr Ziel einer nachhaltigeren Welt zu erreichen. Beispielsweise verzichten wir hier in Deutschland auf CO2-arme Kernenergie. Anstelle dessen wird über 30 Prozent (Tendenz steigend) des Stroms aus CO2-reicher Kohle gewonnen.
Hinzu kommt, dass Verzicht eben auch zu unerwünschten Nebenwirkungen führt. Für die Mittel- und Oberklasse in unserem Land kann das heißen: Weniger Fliegen, weniger Fleisch essen und das Fahrrad statt dem Auto nehmen. Das führt zwar zu Widerstand, ist aber für die eine oder andere durchaus verkraftbar. In Entwicklungsländern hingegen, die in Zukunft mehr und mehr zur CO2– und Umweltbelastung beitragen werden, heißt Verzicht dagegen: weniger Essen, weniger Wasser und weniger medizinische Versorgung. Und kaum jemand in diesen Ländern wird eine Regierung wählen, die das ernsthaft umsetzen möchte.
Das Märchen der Innovation
Manche meinen, wir sollten hoffen. Hoffen darauf, dass uns in Zukunft Technologien zur Verfügung stehen, die uns eine nachhaltige Ökonomie mit weniger Umweltverschmutzung und einer Lösung der Klimaproblematik ermöglichen.
Andere meinen, dass wir darauf nicht vertrauen sollten. Stattdessen sollten wir schon jetzt möglichst viel verzichten. Das bedeutet konkret, dass wir am besten noch heute auf den Kohlestrom wie schon den Atomstrom verzichten sollten – ungeachtet der massiven sozialen Auswirkungen.
Hinzu gesellt sich eine dritte Gruppe, die am liebsten alles beim Alten belassen möchte. Es hat ja Jahre und Jahrzehnte alles so funktioniert. Warum soll es jetzt nicht mehr klappen?
Man stelle sich vor, die Welt wolle an Gewicht abnehmen. Alles beim Alten zu belassen, schafft uns kurzfristig ein bisschen Entspannung. Mit der Zeit werden die Probleme inklusive der Arztbesuche aber immer weiter zunehmen und unsere Lebensqualität wird sich verschlechtern.
Wir könnten auch ab heute alles, wirklich alles an ungesunden Lebensmitteln und Gewohnheiten weglassen: Kein Zucker, wenig Fett und jeden Morgen geht’s aufs Laufband! Das ziehen wir, wenn wir gut motiviert sind, vielleicht einen Monat durch. Doch zu bedenken gilt es, dass 90 Prozent der Diäten scheitern. Und aller Wahrscheinlichkeit nach bist Du nicht die Ausnahme.
Klüger wäre es, sich schrittweise dem gewünschten Ziel zu nähern. Welche einfachen und machbaren Möglichkeiten kann ich in meinem Alltag wahrnehmen, die mir helfen, Gewicht abzunehmen? Und sicherlich werden an der einen oder anderen Stelle meine Abnehmversuche mit Verzicht und Herausforderung verbunden sein.
Doch unser Wunsch, nachhaltiger zu leben, muss nicht zwangsläufig mit Verzicht einhergehen. Intelligente Lösungen könnten unseren Alltag erleichtern, während wir gleichzeitig weniger Ressourcen verbrauchen. Einige stempeln diese Vorstellung als ein Märchen von fraglichen Innovationen ab, die erstens noch nicht vorhanden sind und zweitens eine Ungewissheit herrscht, ob wir diese tatsächlich erhalten werden.
Doch halte ich dieses Hoffen und vor allem das aktive Mitwirken an Innovationen für die einzige Möglichkeit, Nachhaltigkeits-Skeptikern hierzulande als auch Menschen anderswo, die der Armut entrinnen wollen, von einem besseren Umgang mit der Natur zu überzeugen.
Ein Symbol für jene, die mit minimaler Anstrengung abnehmen wollen, ist der Bauchweggürtel. Einmal umgeschnallt soll dieser ohne große Mühen das Bauchfett wegschmelzen. Der Bauchweggürtel gilt als ein Mythos, da seine Wirkung nie wirklich bestätigt werden konnte. Allerdings kann und wird es in Zukunft „Bauchweggürtel-Technologien” für mehr Nachhaltigkeit geben, wenn es uns gelingt, mit einfachen Mitteln unseren Alltag nachhaltig zu gestalten. Und nur so kann das mit einer nachhaltigen Erde samt Ökonomie klappen.