Im Sommer 2024 führte mich eine Reise auf die Insel des Zimts und der ewigen Teeplantagen. An einen Ort, der 2004 durch einen verheerenden Tsunami traurige Berühmtheit erlangte. Mit ein paar Freunden bereiste ich im Spätsommer 2024 das Land Sri Lanka. Neben der Schönheit der Landschaften und der reichen Geschichte der Insel konnten wir auf unseren Etappen auch zahlreiche Absurditäten erleben.
Irrsinnige Bürokratie gibt es überall
In unserer ersten Unterkunft bestellten wir vier Bier. Der Gastgeber schwang sich in sein Tuk-Tuk, fuhr in die Stadt und holte die Getränke. Nach einer halben Stunde bestellten wir wieder vier Bier: Der Gastgeber schwang sich wieder auf sein Tuk-Tuk, fuhr eine halbe Stunde in die Stadt und brachte uns vier Bier. Etwas verblüfft sagten wir zu unserem Gastgeber, dass er doch einfach ein paar mehr Getränke holen könne, schließlich würden wir ja noch ein paar Nächte hier bleiben. Als wir die dritte Runde bestellten und es schon spät in der Nacht war, stieg unser Gastgeber in sein Tuk-Tuk und holte – wieder – vier Bier aus der Stadt …
Zunächst dachten wir, es sei ein Scherz oder der Fahrer hätte Spaß daran, bei jeder Gelegenheit in die Stadt zu fahren und genau die bestellte Menge an alkoholischen Getränken für uns zu besorgen. Aber am nächsten Tag klärte uns ein deutscher Einwanderer auf, als er uns fragte, ob wir – dem Klischee entsprechend – deutsches Bier dabei hätten: Ohne eine Lizenz sei es Hotels nicht erlaubt, Alkohol für die Gäste zu verkaufen. Daher fuhr unser freundlicher Gastgeber immer wieder für das Bier in die Stadt – und nutzte damit die Grauzonen dieses Gesetzes aus.
Wir sehen hier das Werk unwirksamer Bürokratie: Ein Gesetz verfehlt seinen Zweck, weil der Alkohol trotzdem verkauft wird, aber es führt zu Schäden bei allen Beteiligten: Unser Gastgeber muss Sprit und Zeit aufwenden, um die Biere zu besorgen; die Justiz ist damit beschäftigt, die Hoteliers in Zukunft noch strenger zu kontrollieren; und wir mussten länger auf unser Bier warten.
Ein weißer Elefant im Raum
Zu Zeiten meines Ökonomik-Studiums las ich zum ersten Mal die Geschichte von weißen Elefanten: Die Rede ist hier nicht von einer gefährdeten Tierart, sondern von gigantischen Bauprojekten, die sehr teuer sind, aber wenig nützen.
Ein solcher weißer Elefant verbirgt sich hinter Hamabantota. Wir erreichen das Gebiet über eine überdimensionierte Autobahn, auf der nur wenige Autos unterwegs waren. Auf der linken Seite in Richtung Ozean erstreckt sich ein riesiger Frachthafen, rechterhand schimmern die Terminals eines internationalen Flughafens.
Mahinda Rajapaksa, einst Präsident des Landes, hatte mit Krediten aus China die Infrastrukturprojekte errichten lassen. Er stammt aus der Region und wollte der von der Tsunami-Katastrophe betroffenen Region auf die Sprünge helfen – und natürlich wollte er Wählerstimmen fangen.
Statt dass die Projekte den Bürgern nutzen, floss viel Geld in die Taschen von Bürokraten, die die Bauten mit Bestechungsgeldern bereitwillig genehmigten. Die Folgen sind eine überdimensionierte Autobahn ohne Autos und ein riesiger Flughafen mit vier bis fünf startenden Flugzeugen pro Tag. Lediglich der Frachthafen wird mittlerweile gut genutzt. Dieser befindet sich aber inzwischen in chinesischer Hand, nachdem die Kredite mit Wucherzinsen von den Sri Lankanern nicht mehr bezahlt werden konnten: ein Beispiel für die sogenannte Schuldenfalle-Diplomatie, bei der Kredite mit hohen Zinsen für kaum tragfähige Bauprojekte vergeben werden, um sie dann bei Zahlungsausfall zu übernehmen.
In Defense of Unproduktivität
Sri Lanka ist ein herzliches Land: Am Strand von Weligama wurden wir stets mit Surfergruß und einem breiten Lächeln empfangen. Obwohl die Restaurants recht leer waren, warteten wir jedoch teils Stunden auf unser Essen. An der Anzahl der Mitarbeiter konnte es kaum liegen: Manchmal bedienten uns gleich mehrere Mitarbeiter pro Tisch, und auch in der Küche war nicht weniger los. In den kleinen Kiosken, am Flughafen oder an Sehenswürdigkeiten zeichnete sich ein ähnliches Bild ab: Überall wimmelt es von Mitarbeitern, überall wartete man ewig.
Der deutsche Einwanderer, der uns zu Beginn der Reise nach gutem Bier fragte, erzählte uns von seinen Versuchen, hier ein Geschäft zu gründen: „Kannst du vergessen. Du machst mit denen einen Termin aus, und dann kommen die nicht.“ Dabei sind die Inhaber von Shops, Cafés und Restaurants häufig Europäer. Allerdings setzen sie meist einheimische Manager mit Erfahrung ein, die dann zwischen den Mitarbeitern vermitteln.
Aber genau diese Unproduktivität ist es, die das Lebensgefühl in dem Land ausmacht. Der Surfergruß, die Bedienungen, die nichts aus der Ruhe bringt – all das gibt mir das Gefühl, dass wir uns wohl zwischen hoher Arbeitsproduktivität und einem entspannten Lebensgefühl entscheiden müssen. (Oder um es mit Thomas Sowells Worten zu sagen: „There are no solutions. There are only trade-offs.“)
Tourismus in armen Ländern = Neokolonialismus?
Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man dem Tuk-Tuk-Fahrer für einen achtstündigen Tagesausflug seinen verdienten Lohn in die Hand drückt, der gerade mal dem Mindestlohn in Deutschland entspricht. Er fuhr einen Freund und mich den ganzen Tag herum, begleitete uns in Restaurants, wartete unten, als wir den kleinen Monolithen von Sigiriya hinaufstiegen, und raste zum Abschluss durch den Berufsverkehr der Stadt, damit wir die Höhlen von Dambulla noch rechtzeitig erreichten. Als wir am Ende nach dem Preis fragten, sagte er: 5000 LKR, das sind etwa 16 Euro – nicht viel mehr als der deutsche Mindestlohn pro Stunde. Pro Person hatten wir für den ganzen Tag 8 Euro für die Fahrt bezahlt, und wenn wir verhandelt hätten, wäre es noch weniger gewesen. Sollte man wirklich in Ländern mit solchem Hungerlohn Urlaub machen?
Wir stellen diese Frage einem Hotelmanager am Yala-Nationalpark. Seine Anlage wirkt wie eine Oase fernab des südasiatischen Großstadtrubels samt Dauerhupen und überfüllten Straßen. Mit ruhiger Stimme erklärt er uns, dass er für jeden einzelnen Touristen in Sri Lanka sehr dankbar ist. Er habe mit dem Geld der Touristen einen Kindergarten neben der Anlage gebaut, zudem ist eine Hilfsstation für Straßenhunde in Planung. Die Tuk-Tuk-Fahrer würden ohne die Touristen noch weniger Geld verdienen. Wenn wir also in hochpreisige Länder fahren und lieber dort für das „gute Gewissen“ Urlaub machen, dann verdient der Tuk-Tuk-Fahrer gar kein Geld.
Quo vadis Sri Lanka?
Wir kommen in Galle an – einem geschichtsträchtigen Ort. Die riesige Festung der Stadt wurde im 16. Jahrhundert von den Portugiesen erbaut. 1640 wurde die Stadt von den Niederländern erobert und weiter ausgebaut; und 150 Jahre später wurde die Stadt den britischen Kolonialherren überlassen. Die Stadt weist daher architektonische Einflüsse aus allen Ländern auf. Heute sind die meisten Geschäfte – wenn auch nicht so offensichtlich – in deutscher Hand. Viele Geschäfte, Kunstläden und Restaurants gehören deutschen Investoren.
Als wir in Galle einfahren, sehen wir am Straßenrand zahlreiche Wahlplakate. Vom Fort beobachten wir eine riesige Wahlkampfparty von Anura Kumara Dissanayake, der zwei Wochen später tatsächlich zum neuen Präsidenten des Landes gewählt wird. Dissanayake ist bekennender Marxist. Als Politiker verspricht er das Übliche: Löhne erhöhen, Lebenshaltungskosten senken.
Das Land hat einige schwere Krisen hinter sich. Zuletzt krachte es 2022 so richtig, als die Regierung bankrott ging und das Volk den Präsidentschaftspalast stürmte. Auslöser waren Nahrungsmittelengpässe, die infolge eines Importverbots für Düngemittel ausuferten. Die Regierung wollte das Volk nur noch mit Bio-Lebensmitteln versorgen. Doch die logische Folge war, dass statt Bio gar nichts mehr auf die Teller der einfachen Leute kam.
Dem Land wird es in Zukunft nicht viel besser gehen: Der Staat ist nach wie vor hoch verschuldet, und die Heilsversprechen des neuen Präsidenten klingen vor allem nach mehr staatlicher Intervention, sprich nach mehr von dem, was schon in der Vergangenheit nicht funktioniert hat. Dennoch bleibt Sri Lanka für mich das Land mit den freundlichsten Menschen der Welt. Überall wird gelächelt und an eigentlich allen Orten kann man sich als Tourist sicher fühlen (auch aufgrund der hohen Polizeipräsenz an touristischen Orten). Sri Lanka ist für jede und jeden eine Reise wert.
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Bild: Tom Lauruschkat